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Riskante Geschäfte

Titel: Riskante Geschäfte
Autoren: Ian Fleming
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Bananenhafens. Er fuhr den gestohlenen Wagen auf den Grasrand, die drei Männer stiegen aus und gingen die vierhundert Meter spärlich beleuchteter Hauptstraße zu den Verladekais. Das Schnellboot wartete mit knatterndem Auspuff. Sie gingen an Bord, und das Boot rauschte hinaus in die stillen Wasser des Hafens, des schönsten der Welt, wie eine amerikanische Dichterin ihn einmal genannt hat.
    Oben, auf der breiten Veranda von Content, beleuchteten letzte Sonnenstrahlen die roten Flecke. Einer der Doktorkolibris schwirrte über die Balustrade und verhielt flatternd über Mrs. Havelocks Herzen. Nein, das war keine Blüte. Mit lustigem Schwung flog er hinauf zu seinem Schlafplatz zwischen den sich schließenden Hibiskusblüten.
    Das Schaltgeräusch eines kleinen Sportwagens kam von der Auffahrt herüber. Hätte Mrs. Havelock noch gelebt, sie hätte sicherlich wieder gesagt: »Judy, wie oft muß ich dich noch bitten, das nicht immer an der Kurve zu tun! Jedesmal liegt dann der Kies auf dem Rasen, und du weißt doch, wie schlecht das für Joshuas Rasenmäher ist!«
    London, einen Monat später. Der Oktober hatte mit einem wunderbaren Altweibersommer begonnen, und aus Regent's Park brummten die Rasenmäher in die weitgeöffneten Fenster von M's Büro. Beim Geräusch dieser Motormäher dachte James Bond daran, wie nun eines der schönsten Sommergeräusche, wie das schläfrige Eisengeklapper der alten Maschinen für immer aus der Welt verschwinden würde.
    Bond konnte sich solchen Gedanken überlassen, da M heute ziemlich weitschweifig war. Noch immer war er nicht zum Kern der Sache gekommen, noch immer wartete Bond, daß die Büchse der Pandora sich endlich auftun werde. Er war ein wenig verblüfft gewesen, als M ihn mit dem Vornamen angesprochen hatte und nicht wie gewöhnlich mit 007. Das klang ganz nach einer persönlichen Sache - so, als wäre eher ein Vorschlag denn ein Befehl zu erwarten. Auch schien es Bond, als wären die Sorgenfalten zwischen M's kühlen grauen Augen um eine weitere vermehrt, und überdies waren drei Minuten unbedingt zuviel, um eine Pfeife in Gang zu bringen.
    M drehte seinen Stuhl quer zum Tisch und warf die Zündholzschachtel hin, daß sie über den roten Schreibtischbezug bis zu Bond schlitterte. Der fing sie ab und schob sie höflich zur Tischmitte. M ließ ein kurzes Lächeln sehen. Er schien zu überlegen. Schließlich sagte er mit sanfter Stimme: »James - ist Ihnen jemals aufgefallen, daß jeder Mann in der Marine weiß, was er zu tun hat, nur der kommandierende Admiral nicht?« Bond zog die Stirn kraus und meinte: »Aufgefallen nicht, Sir, aber ich glaube zu wissen, was Sie damit meinen. Befehle empfangen und Befehle erteilen ist eben zweierlei. Man könnte auch sagen, der Posten des Oberkommandierenden ist der einsamste, den es gibt«
    M schob die Pfeife beiseite. »So ist es. Aber irgend jemand muß doch hart sein, irgendeiner muß schließlich entscheiden! Leider bleiben nur sehr wenige Leute hart, sobald sie über vierzig sind. Das Leben hat sie bis dahin weich gemacht.« Er blickte Bond scharf an. »Welchen Härtegrad haben Sie, James? Sie sind ja noch nicht im gefährlichen Alter.«
    Persönliche Fragen dieser Art waren Bond zuwider. Er wußte einfach keine Antwort darauf. Er selbst hatte weder Frau noch Kinder - hatte auch noch nie einen ihm teuren Menschen verloren und deshalb keine Ahnung, wie er auf Dinge reagieren würde, die mehr Härte erforderten, als er je hatte beweisen müssen. So sagte er nur zögernd: »Wahrscheinlich kann ich sehr viel ertragen, wenn es sein muß und wenn ich glaube, daß es richtig ist, Sir.« Er gebrauchte nicht gern große Worte. »Ich meine, wenn es eine gerechte Sache ist, Sir. Natürlich - wann ist eine Sache gerecht? Aber ich setze das bei jedem unangenehmen Auftrag voraus!«
    »Verdammt noch mal!« M's Augen blitzten ungeduldig. »Das meine ich ja! Sie verlassen sich einfach auf mich! Sie selbst nehmen keinerlei Verantwortung auf sich!« Er klopfte mit dem Pfeifenstiel gegen die Brust. »Das muß immer ich tun. Immer muß ich entscheiden, was recht ist und was nicht.« Der Ärger wich aus seinen Augen, der grimmige Zug um den Mund wurde verbittert. Bedrückt kam es heraus: »Naja, dafür werd ich ja bezahlt. Jemand muß eben auf der Lokomotive stehen.« Er schob die Pfeife wieder in den Mund und tat einen tiefen Zug. Bond empfand beinahe Mitleid. Noch nie hatte M einem Mitglied seines Stabes zu erkennen gegeben, wie sehr er an der Last trug,
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