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Riskante Geschäfte

Titel: Riskante Geschäfte
Autoren: Ian Fleming
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dem Felshang auf und krachte dann auf den Gletscher - aber nicht auf das zerklüftete obere Ende, sondern etwa in der Mitte auf eine glatte Fläche alten
    Firnschnee. »Verdammt!« knurrte Major Smythe.
    Die Berge gaben das Echo der beiden hallenden Schüsse mehrfach zurück, dann erstarb es. Major Smythe warf einen letzten Blick auf den dunklen Fleck, der sich deutlich von der weißen Fläche abhob. Dann rannte er den Sattel entlang.
    Immer schön eins nach dem anderen!
    Er ging vor dem Steinhaufen in die Hocke, packte die Steine und warf sie willkürlich nach links und rechts den Berg hinunter. Seine Hände bluteten bald, aber er merkte es kaum. Nur noch vierzig oder fünfzig Zentimeter, dann hatte er den Haufen abgetragen.
    Immer noch nichts! Nicht die Bohne.
    Fiebernd beugte er sich über die allerletzten Steinbrocken. Da
    - endlich! Die Kante einer Blechkiste. Er räumte noch ein paar Steine beiseite, dann lag die alte graue WehrmachtsMunitionskiste vor ihm. Ein paar zerkratzte Buchstaben waren darauf noch zu erkennen.
    Major Smythe stöhnte vor Freude laut auf. Er setzte sich keuchend auf einen Felsbrocken. Seine Gedanken kreisten um Bentleys, Monte Carlo, luxuriöse Wohnungen, Cartier, Champagner, Kaviar und seltsamerweise - er spielte gern Golf -auch um einen kompletten Satz Henry-Cotton-Golfschläger. Eine volle Viertelstunde lang saß Major Smythe, trunken von Vorfreude, da und starrte die graue Blechkiste an. Dann warf er einen Blick auf die Uhr und sprang auf. Höchste Zeit, die belastenden Indizien loszuwerden!
    Die Munitionskiste hatte auf jeder Seite einen Griff. Major Smythe hatte damit gerechnet, daß sie ziemlich schwer sein mußte, und ihr Gewicht in Gedanken mit dem schwersten Gegenstand verglichen, den er jemals hatte persönlich schleppen müssen - einem vierzigpfündigen Lachs, den er kurz vor dem Krieg in Schottland gefangen hatte. Doch die Kiste erwies sich mehr als doppelt so schwer. Er mußte alle Kraft zusammennehmen, um sie aus dem Loch herauszuheben und auf das kümmerliche Almengras zu stellen. Er schlang sein Taschentuch durch einen der Griffe und zerrte die Kiste ungeschickt den Bergsattel entlang bis zur Schutzhütte. Dort setzte er sich auf die Schwelle und schlug seine kräftigen Zähne in Oberhausers Hartwurst, ohne einen Blick von der Kiste zu lassen. Dabei überlegte er, wie er seine fünfzigtausend Pfund -so hoch bewertete er seine Beute - ins Tal hinunter und in ein neues Versteck schaffen sollte.
    Die Wurst war hart, deftig gewürzt und voller Speckgrieben, die Smythe zwischen den Zähnen steckenblieben. Er holte die lästigen Brocken mit einem abgebrochenen Streichholz aus den Zähnen und spuckte sie in die Gegend. Dann meldete sich plötzlich sein in der Spionageabwehr geschulter Verstand. Peinlich genau suchte er sämtliche Speck- und Fleischstückchen zwischen den Steinen zusammen und schluckte sie.
    Von diesem Augenblick an war er ein Verbrecher - es war ebenso, als hätte er eine Bank beraubt und den Wächter erschossen. Aus dem Hüter des Gesetzes war ein Krimineller geworden. Das durfte er keine Sekunde lang vergessen! Der kleinste Fehler konnte sein Ende bedeuten. Also mußte er unendlich vorsichtig sein - und, bei Gott, das wollte er auch. Die größte Sorgfalt lohnte sich, wenn man danach für den Rest seines Lebens reich und glücklich war.
    Er verwischte auf fast lächerlich pedantische Weise jede Spur seiner Anwesenheit in der Schutzhütte. Dann zerrte er die Munitionskiste bis an die Felskante und kippte sie mit einem stummen Stoßgebet hinaus ins Leere, hinunter in den Abgrund. Die graue Kiste überschlug sich langsam in der Luft, prallte auf dem ersten Steilhang unterhalb der senkrechten Felsen auf und segelte in weitem Bogen noch einmal fünfzig Meter tiefer hinab. Dort landete sie mit metallischem Klirren zwischen Geröll und Steinschutt. Ob sie beim Aufprall aufgeplatzt war, konnte Major Smythe nicht erkennen. Es war ihm auch gleichgültig - sollte der
    Berg ihm ruhig einen Teil der Arbeit abnehmen! Nach einem letzten Rundblick ließ er sich vorsichtig über die Kante hinab. Er prüfte sorgfältig jedes Klettereisen, jeden Tritt und jeden Griff, ehe er ihm sein Gewicht anvertraute. Sein Leben war jetzt wesentlich kostbarer als beim Aufstieg. Er erreichte den Rand des Gletschers und trottete durch den tauenden Schnee auf den dunklen Fleck zu. Die Fußspuren ließen sich nicht vermeiden. Nach ein paar Tagen würde die Sonne sie ohnehin weggeschmolzen haben.
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