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Riskante Geschäfte

Titel: Riskante Geschäfte
Autoren: Ian Fleming
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Papier, zerkrümelte die Asche und spülte sie die Toilette hinunter. Dann faltete er seine österreichische Generalstabskarte der Gegend auseinander und hatte kurz danach die Franziskaner-Klause gefunden. Sie war als unbewohnte Schutzhütte dicht unterhalb des höchsten der östlichen Gipfel des Wilden Kaisers auf einem Bergsattel eingetragen. Sein Fingernagel machte da, wo der Steinhügel sein mußte, eine kleine Kerbe in das Papier. Nur etwa fünfzehn Kilometer oder fünf Stunden Klettern trennten ihn von einem Vermögen. Major Smythe beantragte einen Urlaubstag, genau wie James Bond es beschrieben hatte. Dann ging er zu dem Bergführer Hannes Oberhauser, verhaftete ihn und erzählte der unter Tränen protestierenden Familie, er brächte Oberhauser zur Vernehmung nach München. Wenn der Bergführer eine reine Weste hätte, würde er in spätestens einer Woche wieder zu Hause sein. Sollte die Familie Ärger machen, dann könnte sich das für Oberhauser nur nachteilig auswirken.
    Seinen Namen nannte Smythe nicht. Vorsorglich hatte er auch die Nummer seines Jeep unleserlich gemacht. In vierundzwanzig Stunden war die Sondereinheit A wieder unterwegs, und ehe Kitzbühel eine Militärkommandantur erhielt, war der Zwischenfall längst im Durcheinander der Besetzung untergegangen. Oberhauser entpuppte sich als ganz netter Bursche, nachdem er seine anfängliche Furcht erst einmal überwunden hatte. Sie unterhielten sich angeregt über Skifahren und Bergsteigen; Oberhauser war vor dem Krieg Skilehrer gewesen, Smythe hatte so manche Bergtour gemacht.
    Ihr Weg führte sie am Fuß des Wilden Kaisers entlang in
    Richtung Kufstein. Major Smythe fuhr langsam und machte ab und zu eine bewundernde Bemerkung über die Gipfel, die vom Rot der Morgendämmerung übergossen waren. Unterhalb des Goldenen Gipfels - so nannte Smythe den Berg bei sich - hielt er schließlich auf einem Wiesenhang an. Er wandte sich Oberhauser zu und sagte freundschaftlich: »Oberhauser, Sie sind ein Mann nach meinem Herzen! Wir haben so viele gemeinsame Interessen. Aus unserer Unterhaltung weiß ich, daß Sie bestimmt nicht mit den Nazis unter einer Decke gesteckt haben. Will Ihnen mal einen Vorschlag machen: Wir klettern heute ein bißchen im Wilden Kaiser herum, dann bringe ich Sie nach Kitzbühel zurück und erzähle meinen Vorgesetzten, in München bei der Vernehmung hätten sich keine Verdachtsmomente gegen Sie ergeben.« Er lachte ihn an. »Nun, was meinen Sie dazu?« Oberhauser war vor Dankbarkeit den Tränen nahe. Trotzdem bat er um irgendein Papier, das ihn als guten Bürger auswies. Smythe versprach es ihm. Seine Unterschrift würde dafür genügen.
    Sie wurden schnell einig. Der Jeep wurde außer Sichtweite der Straße im Wald versteckt, dann kletterten sie durch die duftenden Tannenwälder der Vorberge empor.
    Major Smythe war für die Bergtour gut gerüstet. Er trug ein leichtes Hemd unter der Buschjacke, eine dünne, aber feste Hose und ein Paar ausgezeichneter Bergschuhe mit rutschfester Gummisohle, wie sie die Fallschirmjäger benutzten. Sein einziges Gepäck war die Webley & Scott; Oberhauser war immerhin ein Feind. Deshalb wagte er auch nicht den Vorschlag, der Major sollte die Waffe irgendwo verstecken. Oberhauser trug seinen besten Anzug und die Sonntagsstiefel, aber das schien ihn nicht zu stören. Er versicherte Major Smythe, daß sie für ihre Klettertour weder Seile noch Steigeisen brauchten, außerdem befände sich genau über ihnen eine Schutzhütte, wo sie rasten konnten - die Franziskaner-Klause. »So, wirklich?« fragte Major Smythe.
    »Ja - und gleich darunter liegt ein kleiner Gletscher. Der ist sehr hübsch, aber wir werden um ihn herumklettern. Zu viele Gletscherspalten.«
    »So?« murmelte Major Smythe nachdenklich und starrte auf Oberhausers Nacken, der nun mit Schweißperlen bedeckt war. Ein verdammter Feind mehr oder weniger - was machte es schon aus? Oberhauser war kein Problem; etwas anderes bereitete Major Smythe viel mehr Sorgen: Wie sollte er das Zeug zu Tal schaffen? Er nahm sich vor, sich die Barren irgendwie auf den Rücken zu binden. Den größten Teil des Weges konnte er sie wahrscheinlich in der Munitionskiste - oder was immer es war - hinter sich bergab schleppen.
    Die Kletterei war lang und ermüdend. Sie erreichten die Baumgrenze. Da trat die Sonne hinter den Wolken hervor, und es wurde sehr heiß. Im Zickzack überwanden sie den ständig steiler werdenden Geröllhang. Unter ihren Schuhen lösten sich immer
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