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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel
Autoren: Annegret Heinold
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I
    Love is the answer
    But what is the question?
    (Inschrift auf der Damentoilette im Estrela Park in Lissabon)
     
    Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in die Oper gehen würde. Noch dazu in Madrid. Ich hätte ja auch nie gedacht, dass ich mal in Lissabon leben würde. Und von dort aus nach Madrid in die Oper fahren würde. Und ich hätte auch nie gedacht, dass ich mich mal in einen Mathematiker verlieben würde. Aber warum eigentlich nicht, warum eigentlich nicht, wenn es so ein netter, so ein charmanter, toller, gutaussehender, aufmerksamer, humorvoller und ... ja ... eben alle guten Eigenschaften in sich vereinender Mathematiker wie Claudio ist.
    Vater Italiener, Mutter Portugiesin. Ein paar Jahre jünger als ich. Okay – nicht ein paar Jahre, das wäre ja schon irgendwie okay, heutzutage, sondern fast zehn Jahre. Leider. Oder nicht leider. Doch leider – zehn Jahre sind zu viel. Da ist die öffentliche Meinung immer noch gnadenlos, auch und gerade in meinen Frauenzeitschriften und da fallen schnell mal Wörter wie Cougar , Bergpuma, denn so werden die Frauen genannt, die mit einem jüngeren Mann zusammen sind, oder Toyboy , für den Mann. Und beides ist nicht nett gemeint.
    Der Mann heißt Claudio Moreno. Schon bei dem Gedanken an seinen Namen geht es bei mir los. Ich spüre mein Herz. Meinen Herzschlag. Meinen Bauch. Die flatternden Schmetterlinge. Ich warte wieder am Telefon und lauere auf seinen Anruf, wie damals, als ich fünfzehn war und zum ersten Mal verliebt. In Hermann aus dem Nachbardorf. Es hat nicht lange gehalten, und wenn ich ganz ehrlich bin, waren wir auch nie wirklich richtig zusammen. Die ganze Geschichte spielte mehr in meiner Einbildung als in der Wirklichkeit. Weil Hermann nämlich nicht in mich verliebt war, sondern in Gerda aus Wiemersdorf, und mich an dem Abend auf dem Landjugendball nur geküßt hat, um Gerda eifersüchtig zu machen. Was ich natürlich nicht wahrhaben wollte. Denn ich – ich war in Hermann verliebt. Und wie.
    Und genauso fühle ich mich jetzt. Und damit zwar nicht wie fünfzehn, aber doch sagen wir mal, wieder wie mit fünfundzwanzig und damit um fünfundzwanzig Jahre jünger, als ich jetzt bin. Dazu muss man kein Mathematiker sein, um sowas auszurechnen, das kann sogar ich. Bei den Mathematikern geht es ja auch eher um so unerklärliche Phänomene wie das Verhalten der minus Eins und irrationale, imaginäre und transzendente Zahlen. Dinge, die Claudio ganz viel und mir überhaupt nichts bedeuten. Aber sonst haben wir viel gemeinsam. Wobei ich mit irrational, imaginär und transzendent ja schon was anfangen kann. Ganz besonders mit imaginär. Leider oft auch mit irrational. Nur nicht in Verbindung mit Zahlen.
    Und jetzt muss nur noch das Telefon klingeln und dann sagt er mir, wann und wo, und wir gehen in Madrid in die Oper und alles ist gut.
    Ich hypnotisiere das Telefon. Ich starre das Handy an. Ich teste mit dem Handy, ob das Festnetz funktioniert und mit dem Festnetztelefon, ob das Handy funktioniert. Beides geht.
    Wo also bleibt der Anruf? Wo bleibt bloß dieser blöde Anruf?
    Aber wahrscheinlich kann man garnicht erwarten, dass der Mann sich sofort meldet. Nicht gleich am nächsten Tag. Und ganz besonders nicht nach so einem wahnsinnig schönen Abend. Den muss er ja erstmal verdauen. So was erlebt man ja schließlich nicht alle Tage oder Abende. Bine sagt immer, Männer sind ängstlich, wenn es um richtige Gefühle geht. Andrea sagt, Männer sind in dieser Beziehung oft sehr langsam. Und in einer meiner vielen Frauen-Zeitschriften, die ich mir hier abends im Bett vor dem Einschlafen immer reinziehe, weil ich so Ausflüge machen kann, ohne noch mal nach draußen zu müssen (meine imaginäre Seite!), habe ich mal gelesen, man muss den Männern einfach Zeit lassen, ganz besonders nach einem besonders gelungenen Date. Damit sie Zeit haben, ihre Gefühl zu sortieren. Wozu sie offensichtlich sehr viel mehr Zeit brauchen als wir Frauen.
    Also heißt es warten, und warten, und warten ...

II
    Vier Monate vorher
     
    Man sieht deutlich die Spuren auf dem Parkett. Dort stand das Klavier. Das Klavier gehörte João, beziehungsweise es gehört ihm immer noch und deswegen hat er es ja auch abgeholt. Mit seinem Sohn und zwei Freunden, die beim Tragen geholfen haben. Dabei spielt er nicht mal Klavier, der João, und sein Sohn auch nicht. Was will der Mann mit einem Klavier, wenn er nicht spielen kann? Ich spiele Klavier, das ist der einzige Punkt, in dem meine Mutter streng
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