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Sanchas Hofnarr (German Edition)

Sanchas Hofnarr (German Edition)

Titel: Sanchas Hofnarr (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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D raußen heulte der Wind …
    „Meine liebe Sancha, die wohl schwierigsten Verhandlungen meines Lebens stehen an“, klagte Ro ç von Toulouse, als stünde er – jung und verwegen! - bereits am Rande des Greisenalters. Erneut machte er Anstalten, sich nach der Verrichtung seiner ehelichen Pflicht davonzustehlen. „Ich brauche meine Kraft und werde in der nächsten Zeit schier unablässig in Staatsgeschäften unterwegs sein.“
    Sancha, gefasst, hätte ihren Gemahl gern gefragt, ob sich unter seinen Staatsgeschäften auch Rosaire, die blutjunge Magd befand, die von ihm schwanger war, doch ihr Stolz und die Vernunft geboten ihr, darüber zu schweigen.
    „Montfort, der Heerführer der Franzosen, hat sich bereits die Proven ç e und die größeren Städte am mare nostrum einverleibt“, fuhr Ro ç fort, während er sich ankleidete. „Wir müssen höllisch auf der Hut sein. Derzeit erwartet er frische Truppen. Nun, ängstige dich nicht, Sancha, meine Ritter und ich werden dafür sorgen, dass sie sich nicht mit ihm vereinigen. An List und Gerissenheit sind wir mit den Franzosen gleichauf.“
    „Befinden sich auch wieder Kreuzfahrer aus Alemannien darunter? Und haben wir genügend Späher, die diese Sprache beherrschen?“
    „Späher?“ Ro ç schüttelte den Kopf. „ N ichts liegt ferner, aber die Alemannen versteht sowieso keiner, wenn sie unter sich sind. Du denkst doch nicht etwa an diesen Hagelstein? Merkwürdiger Mann. Ist ihm zu trauen?“
    Sancha drehte sich um und sah Ro ç beim Anziehen der Beinlinge zu. Weil noch allerlei Feuergefunkel im Kamin herrschte, schimmerte die eine Hälfte seines Gesichtes wie ein roter Apfel.
    „Ich lege die Hand für ihn ins Feuer“, sagte sie leise. „Es geht schließlich um das Land deines Vaters. Um dein Land, dein Erbe! Der Narr würde alles tun, um uns zu helfen.“
    „Dir vielleicht, meine Liebe, dir würde er helfen! Weshalb nennt man ihn eigentlich einen Narren? Er ist doch kein Zwerg und trägt auch kein Schellenkleid?!“
    Sancha setzte sich auf, strich sich das lange schwarze Haar hinter die Ohren und lachte leise. Im Halbdunkel schimmerten ihre nackten Brüste wie Marmor. „Als ich Falk von Hagelstein kennenlernte, sagte er zu mir, er wolle lieber ein Narr sein, denn der weise Mann, für den ich ihn damals hielt. Aber das ist eine lange Geschichte. Dir würde ich sie gerne erzählen. Hast du noch ein wenig Zeit?“
    Ro ç hielt mit dem Ankleiden inne. Er hob die Achseln. „Zeit habe ich keine, wie du weißt“, meinte er gleichmütig, ,,aber wenn ich ihn als Späher in meine Dienste nehmen soll, muss ich alles über ihn wissen, jede Kleinigkeit. Nimmt der Feind ihn gefangen, könnte dies weitreichende Folgen für Toulouse haben. Wer ist er also, dein Narr, woher kommt er und wie hast du ihn kennengelernt?“
    Sancha ergriff ihren halbvollen Becher mit Wein und leerte ihn auf einen Zug. Sie freute sich, dass Ro ç von der Neugierde gezwickt wurde, dachte aber zugleich, wie fatal es doch war, dass sie Falk besser kannte als ihren Ehemann.
    „Hagelstein?“, sagte sie nach einem tiefen Seufzer,

    „ Ich habe manchen Mann gekannt,
    der Gold gesucht und Kupfer fand.“

    „Ist dieser Reim von dir gemacht?“ Ro ç legte sich zurück aufs Bett.
    „Nein, er stammt aus der Feder eines alemannischen Dichters namens Freidank, der Hagelsteins Leben tief geprägt hat, trifft aber in gewisser Weise auch auf den Narren selbst zu. So lass dir erzählen, wie ich auf Falk traf ...“

    Sancha war elf Jahre alt gewesen, dürr, hässlich, eigenwillig und frühzeitig darauf bedacht, ihren Damen und dem verhassten Hofkaplan, der sie Latein lehrte, zu entwischen. Eingehüllt in einen alten Kapuzenumhang, der für gewöhnlich in der Gesindekammer hing, strich sie mit dem erregenden Gefühl von Freiheit im Bauch durch die Gärten und Höfe des Castillos, sich einbildend, dass niemand sie erkenne. Es war, als suchte sie draußen, was sie im Schloss von Zaragoza nicht fand: Das richtige Leben. Doch was machte ein richtiges Leben aus?
    Beim Waffen- und Rothschmied, mit dem sie sich oft unterhielt, hatte sie es nicht gefunden, auch nicht bei Meister Ibrahim, dem maurischen Steinmetzen. Es war der Runde Turm, der sie anzog wie angeblich der Bernstein den Staub, denn es handelte sich um die Richtstätte und das Gefängnis in einem. Schon von weitem konnte man die Schreie der Gefangenen hören. Die Hände in die Hüften gestemmt, oft nur auf einem Bein stehend, wie ein Storch, und den
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