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Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Autoren: Andreas Steinhöfel
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den Arm.
    Mit einem feinen Klingeln wurde ein weiterer Anhänger sichtbar. Porsche hob den Kopf und wuffte leise. Ich beugte mich neugierig vor. Der Anhänger war ein schlichtes goldenes Perlchen.
    Â»Was ist das?«
    Â»Bisher noch etwas Unentschiedenes«, sagte Mama. »Aber du könntest es mit einer Prophezeiung versuchen.«
    Von meinen Prophezeiungen hatte ich ihr erzählt. Seit dem Fotogeknipse am Strand in Prerow war diese Gabe wie erloschen, aber das war okay. Vielleicht hatte der liebe Gott sie mir nur für Krisenzeiten geschickt, und jetzt, wo ich sie nicht mehr brauchte, hatte er sie jemand anderem verliehen. Ich versuchte es trotzdem.
    Eine goldene Perle, eine goldene Perle …
    Austern fielen mir ein. In manchen sind Perlen drin. Und als ich an Austern dachte, fielen mir die Muscheln von der Ostsee ein, und als ich daran dachte, sah ich Maja vor mir, die nackt aus dem Meer stieg, wie die Venus auf diesem berühmten Gemälde aus der großen Klappmuschel steigt, aus der sie geboren wird, und –
    Fast blieb mir das Herz stehen.
    Ich konnte gar nichts sagen, weil ich wusste, dass ich sofort anfangen würde zu weinen vor Überwältigung. Mama strahlte wie die Sonne und der Mond und alle Sterne gleichzeitig.
    Â»Na, was sagst du?« Sie nahm meine Hand und legte sie auf ihren warmen Bauch. »Wird es ein Junge oder ein Mädchen?«
    Â»Es wird ein sehr großes Glück«, sagte ich.
    Und das war meine letzte Prophezeiung.

    Im Fernseher flackerte lustig das Kaminfeuer im Heimkinosound. Ich steckte zwischen zehn Plüschkissen neben Frau Dahling auf dem Sofa und fühlte mich sehr behaglich.
    Â»Wenn’s nicht geregnet hätte, wäre es vielleicht netter gewesen«, sagte ich. »Andererseits, der Regen hat total gut zu diesem hässlichen Standesamt gepasst. Und außer Irina und diesem Polizistenkumpel vom Bühl, die Trauzeugen waren, und Mama und dem Bühl natürlich, war ja sowieso keiner da. Klar, ich noch. Aber ich durfte nicht mal Reis werfen. Erstens hatte ich Milchreis beim Edeka gekauft, das ist sowieso der falsche, und zweitens ist Reis nur für die Fruchtbarkeit, und Mama ist ja schon schwanger, und drittens findet Oskar, Lebensmittel durch die Gegend zu werfen wäre eine Schweinerei, wegen dem Welthunger und so.«
    Frau Dahling grunzte bloß irgendwas. Sie hielt sich den Bernstein vor die Brust, den wir ihr von der Ostsee mitgebracht hatten, als überlegte sie, wie er sich dort als Brosche oder Halskette machen würde. Hätte sie richtig hingehört, wäre ihr bestimmt unsere Silvesterfeier vor zwei Jahren eingefallen. Da war ich bei ihr gewesen, weil Mama im Club arbeiten musste, und nachmittags hatte Frau Kessler uns im Treppenhaus mit der Karstadt-Tüte erwischt, aus der die Stiele von den Feuerwerksraketen rausguckten. Sie hatte losgeschimpft, Feuerwerk wäre das Allerletzte, man sollte gefälligst an den vielen Hunger in der Welt denken und lieber Brot statt Böller machen. Ich fand die Idee völlig beknackt, aber natürlich kriegte ich ein schlechtes Gewissen, und um Mitternacht, bevor wir runter auf die Straße gingen, um die Raketen abzischen zu lassen, konnte Frau Dahling mich gerade noch davon abhalten, ein frisches Vollkornlaibchen aus dem Fenster zu werfen.
    Also kein Reis.
    Der van Scherten kam mit einem Teller voller Müffelchen ins Wohnzimmer. Seine ersten selbst gemachten. Vorhin, in der Küche, hatte er mir erklärt, es solle bloß keiner denken, er hätte sich eine hübsche Frau geangelt, bloß um sich von ihr durchfüttern und bedienen zu lassen. Die Küche hatte dabei ausgesehen wie ein Schlachtfeld, von dem die Berserker gerade abgezogen waren, aber immerhin hatte er sich liebevolle Mühe gegeben.
    Â»Wo steckt eigentlich Oskar?«, sagte er.
    Â»Bei der Spätschicht im Verpackungszentrum. Lars durfte ihn mitnehmen, damit er seinen Arbeitsplatz kennenlernt. Vorher waren sie im Technik-Museum, da wollte Oskar schon seit Ewigkeiten gern hin.«
    Â»Dann geht’s ihm gut?«
    Â»Beiden geht’s gut.«
    Frau Dahling legte zufrieden den Bernstein auf den Tisch. »Das ist ein wunderschöner Stein! Dank euch nochmals.«
    Ich schnappte mir gleich zwei Müffelchen auf einmal. Es war viel mehr Gemüsezeugs drauf statt Wurst, weil der van Scherten findet, dass es schon viel zu viele dicke Berliner gibt, aber sie schmeckten trotzdem total
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