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Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Autoren: Andreas Steinhöfel
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blöde.« Lars schüttelte den Kopf. »Jedenfalls hatte ich, als wir hier einzogen, mir vorgenommen, dass das anders werden soll. Dass ich anders werden soll. Aber so etwas dauert. Trotzdem, ich habe mich auf Medikamente einstellen lassen, ich gehe in die Selbsthilfegruppe, ich habe bald den ersten Termin bei einem Therapeuten. Ich habe einen Job angenommen –«
    Â»Was für einen Job?«
    Â»Das wollte ich feierlich beim Frühstück am Freitag verkünden, aber das ging ja in die Hose, und danach warst du verschollen.« Lars hob abwehrend eine Hand, bevor Oskar etwas erwidern konnte. »Es ist okay, dass du abgehauen bist. Ich meine, eigentlich ist es schrecklich, aber wenn ich jemandem deswegen Vorwürfe machen sollte, dann nur mir selbst.« Er holte kurz Luft und stieß sie wieder aus. »Dieser Job ist nichts Besonderes oder so. Otto hat ihn mir besorgt – deshalb war er in letzter Zeit so oft hier, um mich vorzubereiten, weißt du. Er arbeitet in einem großen Versandlager, Päckchen, Pakete, so etwas. Und da hat er mich untergebracht. Ich weiß, das ist keine Professur, man verdient da auch nicht so viel, aber –«
    Â»Ich finde es toll«, sagte Oskar mit einer Stimme, die so klein war, dass ich in dem Moment dachte, sie würde locker in meine Hosentasche passen.
    Â»Jedenfalls bin ich deshalb eben erst nach Hause gekommen«, erklärte Lars. »Schichtarbeit, da wollte ich nicht gleich am Anfang fehlen. Steht auf dem Zettel, der auf dem Küchentisch liegt, aber wie es aussieht, hast du nur den Rucksack in die Wohnung gepfeffert und bist rauf zu Rico, hm?«
    Oskar nickte. Dann ging das Flurlicht aus, aber keiner von uns schaltete es wieder an. Aber auch ohne ihn zu sehen, wusste ich, wie Oskar sich fühlte. Ich kannte solche Gespräche mit Mama. Die sind nicht so oft und deshalb sehr kostbar. Danach fühlt man sich wärmer und größer, was komisch ist, weil einem solche Gespräche gleichzeitig das Gefühl geben, dass man ruhig klein bleiben und ein Kind sein darf.
    Â»Wo warst du letztes Jahr?«, erklang Oskars Stimme im Dunkeln. »Als du mich alleingelassen hast.«
    Â»Ich war bei deiner Mutter.«
    Â»Um mich an sie abzugeben?«
    Â»Was? Nein. Himmel, nein! Hast du das etwa gedacht?«
    Â»Mhm.«
    Eine Pause entstand. Ich stellte mir vor, wie Lars sich jetzt auf die Lippen biss, als ihm aufging, dass man jemandem manchmal besser etwas erzählt, statt ihn sich hilflos ausmalen zu lassen, was los ist.
    Â»Ich wollte sie bitten, zu uns zu kommen«, sagte er endlich. »Wenigstens für eine Weile. Um mich zu entlasten. Und um dir das Gefühl zu geben, dass sie für dich da ist.«
    Â»Aber du hast sie nicht gebeten?«
    Â»Doch. Glaub mir, ich hab mir den Mund fusselig geredet. Und danach habe ich es nicht übers Herz gebracht, dir zu sagen, dass …«
    Er stockte.
    Â»Dass ich ihr egal bin«, flüsterte Oskar.
    Â»Es tut mir so leid«, sagte Lars.
    Dann kam wieder ein Schweigen, das diesmal so lang war, dass ich aufstand und mich zum Lichtschalter tastete. Als das Licht anging, sah ich Oskars kleine Hand, die auf einer großen Hand von Lars lag. Aber Lars zog seine gerade wieder raus und legte sie auf die von Oskar.
    Â»So herum gehört sich das«, sagte er. »Jedenfalls meistens. Und so soll das ab jetzt auch bleiben.«
    Oskar sah mich an und lächelte. Seine Zähne waren mir noch nie so groß vorgekommen.

    Ich könnte jetzt noch aufschreiben, wie die Polizei anrückte und wie Julia zurückkam mit der Nachricht von Berts und seinem Nasenbruch und wie mitten in unsere Vernehmung im Hausflur die Kesslers platzten – da war aber Justin schon weggeräumt – und wie Oskar und ich, als endlich alles vorbei und wieder Ruhe eingekehrt war, uns brotlos über das Nutella-Glas hermachten, das Lars gekauft hatte. Aber ich bin müde, und ich will noch eine Weile auf dem Nachdenksessel sitzen.
    Ich muss über das nachdenken, was Julia mir gesagt hat, als ich sie endlich fragen konnte, wo Fitzkes Kalbstein ist.



Mama und der Bühl waren wegen dem Ostseeausflug erst ziemlich sauer, dann weniger sauer, dann doch wieder ein bisschen mehr sauer und danach wieder etwas weniger. Nur auf Lars waren sie nicht sauer, obwohl der alle Schuld auf sich nehmen wollte. Er hatte das mit der Verantwortung vergeigt, sagte er, und deshalb würde er auch
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