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Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Autoren: Andreas Steinhöfel
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die Konsequenzen tragen.
    KONSEQUENZ
: Das, was man von irgendwas hat. Zum Beispiel, wenn man sich nicht mit Sonnencreme einschmiert, und später fallen einem unregelmäßig die Zehen ab: Das hat man dann davon. Wenn sie einem nicht abfallen, ist das inkonsequent, sieht aber ordentlicher aus.
    Aber es gab für Lars keine Konsequenzen. Schließlich hatten allein Oskar und ich entschieden, in Richtung Norden abzuhauen. Wir mussten Mama und dem Bühl einen ganzen Nachmittag lang alles erzählen, wie Angeklagte vor einem Gericht, und am meisten regte Mama die Sache mit Berts auf.
    Â»Das kann doch nicht sein«, schimpfte sie, »dass jedes Mal, wenn ihr in solche Geschichten verwickelt seid, irgendwer zuletzt im Krankenhaus landet!«
    Â»Ohne mich wäre das alles nicht passiert«, warf Oskar kleinlaut ein.
    Â»Quatsch mir nicht dazwischen, wenn ich mich aufrege, junger Mann!«, schnappte Mama, »sonst verpasse ich dir eine Ohrenverkleinerung. Langziehen ist ja wohl nicht mehr drin!«
    Der zweite Aufreger war Bobo. Der Bühl fing an, dermaßen zu schimpfen – erst auf Kampfhunde und ihre Herrchen, dann auf alle Hunde und alle Herrchen, wegen fünfundfünfzig Tonnen Hundehaufen im Jahr und dergleichen –, dass Porsche sich mit eingeklemmtem Schwanz unters Sofa verzog, als wollte der Bühl ihn bei nächster Gelegenheit an einem Rastplatz an der Autobahn aussetzen. Manche Leute machen so was nämlich. Es werden sogar Omas an Rastplätzen ausgesetzt, vor allem wenn die Sommerferien anfangen. Die irren dann verstört über die Autobahn, bis sie von der Polizei eingefangen werden. Kommt ab und zu im Radio.
    Aber irgendwann – nach einer Woche oder so – war alles wieder gut, und es kamen nur noch Sprüche wie: »Dann fahr doch an die Ostsee, wenn’s dir hier nicht passt!«, oder: »Hey, es gibt da ein tolles neues Heim für schwer erziehbare Kinder in Hohenschönhausen, da sind noch Plätze frei!«
    Die Sprüche waren nur ironisch gemeint, denn eigentlich passte alles. Der Knutschurlaub auf Sri Lanka hatte total gut funktioniert – so gut, dass Mama meinte, eigentlich müssten ihr vom vielen Knutschen die Lippen in Fransen runterhängen.
    Â»Und heiraten?«, sagte ich.
    Â»Oh, irgendwann vielleicht.«
    Toll. Irgendwann vielleicht könnte auch die Welt untergehen, oder es könnte, irgendwann vielleicht, jemand einen Kompass für Tiefbegabte erfinden, damit man beim Weltuntergang wenigstens weiß, in welche Richtung man flüchten muss.
    Aber mehr war aus Mama nicht rauszulocken, also fragte ich ein paar Tage später den Bühl. Der zuckte nur die Achseln und guckte angestrengt zu seiner hübschen Zimmerdecke mit dem aufgemalten Aquarium rauf, als hätten die bunten Fische darin sich vermehrt oder als hätte er Angst, es könnte Wasser von oben runtertropfen.
    Â»Aber auf jeden Fall erst, wenn wir dich nach Hohenschönhausen verfrachtet haben«, sagte er. »Ich hab keine Lust auf einen Sohn, wegen dem andere Leute die Nase eingeschlagen kriegen.«
    Das war nur wieder einer von diesen Sprüchen. Wenn man Ironie erst mal verstanden hat, macht sie richtig Spaß.
    Â»Und würdest du mich, wenn du Mama geheiratet hast, aus dem Erziehungsheim rausadoptieren?«, sagte ich.
    Â»Logisch.« Er legte seine Daumen und Zeigefinger zu einem Guckkasten aneinander und schaute nach oben durch, als wollte er einen Film drehen. »Wen soll ich sonst zu Edeka oder nachts zum Spätkauf schicken, wenn das Bier mal alle ist?«

    Berts machte seinen Abschluss an der Uni mit total guten Noten. Die letzte Prüfung war an einem Donnerstag. Am Freitag, als er nach Frankfurt am Irgendwas aufbrach, schenkte ich ihm zum Abschied eine Pappnase. Seine eigene war immer noch blau und lila rundrum. Die neue Nase musste ich ihm zum Fenster vom Umzugswagen reinreichen. Der Motor brummte schon. Maja saß auf dem Beifahrersitz und Berts am Steuer.
    Â»Woher hast du die?«, sagte er.
    Â»Karstadt.«
    Â»Cool.«
    Er setzte die Pappnase auf und guckte sich im Rückspiegel an. Es sah witzig aus, aber mir war nicht zum Lachen zumute. Am liebsten hätte ich mich vor den Wagen geworfen, damit Berts nicht davonfuhr.
    Â»Hey!« Er streckte einen Arm aus dem Fenster und drückte mir fest die Hand. »Mach’s gut. Und sei nicht traurig. Wir sehen dich ja bald wieder,
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