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Rheingold

Titel: Rheingold
Autoren: Stephan Grundy
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im nächsten Augenblick verschwunden. Die rote, züngelnde Flamme jagte dahin, ohne das Laub in Brand zu setzen. Wie in Trance begannen Wotan und Hörnir abgestorbene Äste von Bäumen und Büschen zu brechen. Sie legten das Holz auf eine freie Stelle zwischen zwei große Baumwurzeln, damit ihr Bruder es entzünden würde.
    Es dauerte nicht lange, und der Fuchs kam auf die Lichtung gesprungen. Zwei Kaninchen baumelten in seiner spitzen Schnauze; an seinen Lefzen klebten getrocknetes Blut und versengtes Fell. Spöttisch legte er wie ein Jagdhund die beiden kleinen Kaninchen in Wotans ausgestreckte Hände. Dann loderte er lachend auf und nahm mit einem so grellen Aufflammen wieder die Gestalt eines Mannes an, daß Wotans Menschenaugen wie geblendet waren. Das Feuer brannte knisternd. Loki setzte sich mit gekreuzten Beinen vor die Flammen und leckte sich das getrocknete Blut aus den Mundwinkeln. Wotan enthäutete mit ein paar geschickten Bewegungen seines scharfen Dolches die Kaninchen, gab sie Loki zum Braten und warf die blutigen Felle achtlos beiseite.
    Die drei Götter aßen schnell; ihre Gestalten zuckten noch unruhig im Schatten des Feuers, aber sie wurden fester, als sie das irdische Fleisch gegessen hatten. Sie warfen die kleinen Knochen über die Schultern hinter sich und überließen sie den scharfen Zähnen zweier Schattenwölfe, die hinter Wotan wachten.
    So wirkten die Götter. Sie nahmen die Gestalt der Menschen an und teilten die Last derer, die sie vor Anbeginn der Zeit geschaffen hatten. Das Fett an Lokis Finger flammte leuchtend auf. Er klopfte sich die Asche von den Händen. »Gut, gut, meine Brüder«, sagte Loki zufrieden, »ich habe nichts von meinem Geschick verloren, nicht wahr? Wieviel Zeit zwischen unseren Ausflügen auch vergehen mag, ihr könnt euch immer darauf verlassen, daß der listige Loki findet, was ihr braucht.«
    Wotan nickte und nahm das Methorn von der Schulter. Er hielt es vor sich hin, murmelte ein paar Worte und zeichnete eine Rune darüber: Ansuz - die Gott-Rune der einströmenden Kraft. Der süße, belebende Duft des Honigtranks stieg aus dem Trinkhorn auf; aus einem unsichtbaren Kessel floß der Zauber-Met und füllte das Horn mit seiner göttlichen Kraft. Der einäugige Gott trank in großen Zügen; sofort stieg ihm die starke und belebende Wirkung in den Kopf. Er reichte das Trinkhorn erst Hörnir und dann Loki. »Guter Met«, bemerkte Loki. »Natürlich schmeckt er noch besser, wenn man ihn auf diese Art bekommt wie du...« Er stieß Wotan mit einem wissenden Lächeln an. »Also dann sag mir, weshalb wir in Midgard Kaninchen essen und nicht in Asgard speisen? Gibt es morgen eine große Schlacht? Suchst du noch mehr tote Helden für deine Sammlung? Was treibt den Gatten Freyjas so weit weg von ihrer liebevollen Umarmung -und ihren zänkischen Ratschlägen?«
    Wotan wandte sich seinem Gefährten zu und blickte aus großer Höhe auf ihn hinunter. Ein beinahe unmerkliches, grimmiges Lächeln lag auf seinen Lippen, und das linke Auge funkelte gefährlich, aber die dunkle rechte Augenhöhle blieb tief und unergründlich. »Du mußt noch eine Weile warten, bis du es erfährst«, erwiderte er. Die drei Götter ruhten noch eine Weile am Feuer, aber als das erste Licht der Morgendämmerung fahl durch die Bäume drang, erhoben sie sich und schlugen den Weg zum Fluß ein.

    *

    Der Rhein floß langsam dahin. Das dunkle Wasser wand sich in einem Bogen um den Fuß der steil aufragenden Felsen. Die Götter wanderten im heller werdenden Morgenlicht flußaufwärts. Bald stand die Sonne hoch am Himmel. Als sie beinahe den Zenit erreicht hatte, blieb Wotan stehen und blickte zum Fluß hinunter. Dort lag ein Otter auf einem Felsen am Ufer und sonnte sich. Die heiße Sonne trocknete sein glattes, glänzendes braunes Fell. Er rollte zur Seite, rieb langsam den Rücken wie eine Katze am Stein, streckte sich genußvoll, kroch dann auf dem Bauch zum Felsenrand und spähte in den Rhein. Im Wasser blitzte etwas Silbernes. Der Otter glitt geräuschlos wie ein dunkler Pelz ins Wasser. Wotan, Hörnir und Loki blickten stumm auf die Stelle, wo er verschwunden war. Die spielerische Anmut der kleinen Kreatur schien sie verzaubert zu haben. Noch während sie so standen, kroch der Otter, dessen Pelz am Körper klebte, mit einem riesigen Salm wieder aus dem Wasser. Er hielt den Fisch triumphierend im Maul und schüttelte in einem funkelnden Tropfenschauer das Wasser aus seinem Fell. Dann legte er sich auf
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