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Rheingold

Titel: Rheingold
Autoren: Stephan Grundy
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wutschnaubend ans Ufer und griff nach der Axt und seinem Gewand, noch ehe der Junge etwas sagen konnte. Sigfrid folgte etwas beklommen, aber noch immer grinsend. Er entfernte vorsichtig das grünliche Zeug, wo es noch an den langen, dichten nassen Haaren klebte.
    »Das eine sag ich dir, mein Junge!« schimpfte Regin, »du rührst mir eine Woche Hammer und Amboß nicht an! Wie, bei den Göttern willst du etwas lernen, wenn du deinen Lehrer - deinen Pflegevater - wie einen Hofnarren behandelst? Ich wollte dir heute abend erzählen ... Also, wie kannst du es wagen, so etwas zu tun? Ich habe schon mit den Göttern gesprochen, als dein Vater noch nicht auf der Welt war, als man das Rheingold zum ersten Mal aus dem Fluß holte.« Er deutete auf das Wasser. »Siehst du das?!«
    In der untergehenden Sonne glaubte Sigfrid eine fahle gespenstische Flamme über dem rauschenden Fluß zu sehen. »Siehst du das Feuer?«
    Sigfrid nickte verzaubert.
    »Als ich noch jung und dein Vater noch nicht geboren war, leuchteten die Flammen noch hell und klar über dem Gold dort unten. Soviel Gold...«
    Regin starrte blicklos in das Wasser, während salzige Tränen seine Augen füllten. »Damals war ich jung. Ich war jung und hübsch und beinahe so groß wie du.« Er zog sich das schmutzige Gewand wieder über den Kopf und starrte den Jungen mit rotgeränderten Augen einen Moment lang an. Sigfrid erwiderte den Blick furchtlos, und der Zwerg schüttelte seufzend den Kopf. »Aber du - du hörst nicht auf einen unglücklichen alten Zwerg, auch wenn er dein Pflegevater ist, und du bei ihm lebst, um etwas von ihm zu lernen. Du verschlingst lieber alle meine Vorräte, lernst von mir nur das, was dir paßt und läufst lachend davon, ohne dich um die Gesetze von Gast und Gastfreundschaft zu kümmern. Geh zurück zu Alpercht, bleib in seiner Halle. Ich hab keine Zeit mehr für dein schlechtes Benehmen.«
    »Tut mir leid«, sagte Sigfrid leise, »wirklich. Das war doch nur Spaß, du bist immer so ernst...« Regin drehte sich wortlos um und ging zu dem Pfad, der durch den Wald zu seiner Hütte führte. Die Sonne war hinter einem der schwarzen Hügel verschwunden, und der Himmel wurde schnell dunkel. Ein kalter Wind fiel sanft wie Schnee von den Gipfeln der Hügel und trocknete Sigfrids nasse Haut. Er zog schnell das rußige Gewand über den Kopf und schüttelte das Wasser aus den Haaren. »Bitte erzähl mir mehr vom Rheingold«, bettelte er, als er Regin eingeholt hatte. Der Zwerg blieb stehen und nahm die Axt auf die andere Schulter. Sigfrid wollte sich bei ihm einschmeicheln und sagte: »Ich werde sie für dich tragen, wenn du willst...«
    »Rühr meine Waffe nicht an!« brüllte Regin plötzlich und hob drohend die Axt, als wolle er Sigfrid damit erschlagen. Ich spring zur Seite, wenn er zuschlägt, dachte der Junge. Ich pack sie, wenn er zum nächsten Schlag ausholt, und entreiß sie ihm... Er atmete etwas schneller, als die Erregung sein Blut wärmte. »Zurück!« rief der Zwerg, »wag nicht, danach zu greifen. Ich habe gesehen, wie du ihn getötet hast...«
    Das gefährliche Funkeln verschwand wie immer, wenn der Wahnsinn ihn erfaßte, schnell wieder aus Regins Augen. Er ließ die Axt langsam sinken und hielt sie locker in der Hand. »Ach, du bist es nur, Sigfrid. Such noch ein paar Pilze, dann haben wir genug für das Abendessen.« Er legte sich die Axt wieder über die breite Schulter, ging weiter den Hügel hinauf und ließ Sigfrid allein im dunklen Wald zurück.
    Als Sigfrid die Hütte des Schmieds erreichte, stieg eine graue Rauchfahne aus dem Kamin, die ihm den köstlichen Geruch von kochendem Fleisch, röstendem Brot und brennendem Tannenholz zutrieb.
    Sigfrid klopfte leise an die Holztür, in die Regin kunstvoll das Bild eines Mannes geschnitzt hatte, der ein Schwert in einen riesigen Drachen stieß. Um das sich windende Ungeheuer zog sich ein Runenband. Sigfrid konnte die Runen nicht lesen, aber Regin hatte ihm erzählt, daß dort stand: »SIGFRID DER DRACHENTÖTER SOLL HÜTEN DEN HORT« Die Tür ging auf, und Regins starke Hand schloß sich um Sigfrids Handgelenk. Er zog ihn in die Hütte und drückte ihn auf einen Stuhl. Im Licht des flackernden Feuers schien der Raum, dessen Decke in der Dunkelheit verschwand, sehr viel größer als tagsüber zu sein. Aus den Augenwinkeln glaubte Sigfrid die rotglühenden Umrisse von Runen zu sehen, die unsichtbar brannten. Sie waren wie Bilder, die vor seinen Augen auftauchten, wenn die Sonne ihn
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