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Rheingold

Titel: Rheingold
Autoren: Stephan Grundy
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den Bauch und begann mit halb geschlossenen Augen langsam und genußvoll den Salm zu verzehren.
    Loki bückte sich lässig nach einem Stein und warf ihn geschickt und zielsicher auf den Kopf des Otters. Dem Tier blieb keine Zeit zum Ausweichen; er riß in beinahe menschlichem Entsetzen die braunen Augen auf, als der spitze Stein seinen Schädel zerschmetterte, sank lautlos zusammen, und der Salm fiel ihm aus dem offenen Maul. Loki eilte zum Fluß hinunter, um seine Beute zu begutachten. Der Stein hatte den Kopf des Otters an der Seite getroffen; aus der Wunde quoll Blut und tropfte auf das nasse Fell. In den aufgerissenen Augen lag der Ausdruck von Grauen; sie starrten blicklos auf den Tod, der so plötzlich gekommen war. Loki hob lachend den Salm auf, hielt ihn beglückt in der einen Hand und in der anderen den Otter, dessen langer Leib leblos in seinem Griff baumelte.
    »Seht!« rief er den anderen Göttern zu, »ich wollte nur den Fisch, aber jetzt haben wir den Fisch und den Otter. Der schlaue Loki kann mehr, als man glaubt.«
    Wotan und Hörnir sahen zu, wie Loki dem Otter geschickt das Fell vom Leib zog. Er schüttelte betrübt den Kopf über das Loch, das der Stein in den Kopf geschlagen hatte. »Wirklich schade. Vermutlich kann ich mit dem Kopf nichts anfangen. Nun ja, so etwas kommt eben vor.«
    Loki gab dem Kadaver einen Tritt, und er versank mit einem schweren Klatschen in den Fluten des Rheins. Dann lief er zu Wotan und Hörnir zurück. Dabei rollte er das Fell zusammen. »Wo geht es jetzt hin, Erhabener?« fragte Loki munter. Der einäugige Gott deutete mit dem Speer flußaufwärts. »Nicht weit von hier liegt Hreidmars Halle. Wir müßten bei Einbruch der Dunkelheit dort sein. Er wird uns für die Nacht Gastfreundschaft bieten. Ich glaube, deine Beute wird ihn sehr beeindrucken - einer seiner Söhne ist ein großer Fischer. Er wäre bestimmt stolz auf den Salm gewesen, aber es ist ihm noch nie gelungen, mit einem Fisch einen Otter zu fangen.«
    »Glaubt mir, der schlaue Loki schlägt jeden mit seinen eigenen Waffen!« Er lachte zufrieden und strich mit den geschmeidigen Fingern sanft über das Fell und schob es in seinen Beutel am Gürtel. Die Götter machten sich auf den Weg und wanderten flußaufwärts am Rhein entlang.

    *

    Als die Sonne langsam unterging, glühte im tiefen Wasser funkelndes Gold; eine Geisterflamme tanzte hell in den dunklen Fluten wie als Antwort auf das leuchtende Abendrot zwischen den Bergen. Loki blickte gierig in das Wasser, und seine bernsteinfarbenen Augen blitzten.
    Wotan sah ihn scharf an. »Nein, das ist nicht für dich bestimmt.«
    Trotzdem schlich Loki nahe ans Ufer und starrte auf das kaum sichtbare Feuer im Wasser. Es wußte, daß der rötliche Glanz in der Tiefe von einem Schatz ausging. Loki hatte vor Zeiten Frowe Hulda das mit funkelnden Edelsteinen besetzte Halsband Brisingamen vom Hals gestohlen, weil ihm der strahlende Glanz keine Ruhe mehr ließ, und er hatte aus Ägirs Halle, dem Palast des Meergottes, der nur durch Gold erleuchtet wurde, eine Fackel mitgehen lassen. Bisher hatte Wotan ihm verboten, sich an dem Gold im Rhein zu versuchen, aber der Schatz lockte ihn, denn Feuer will zu Feuer. Loki blieb zurück. Er ging zwar hinter Wotan, aber er spürte den wachsamen Geisterblick von Hugin und Munin. Er fügte sich seufzend dem strengen Befehl und ging wieder schneller, um mit den beiden Göttern Schritt zu halten, denn er wollte Wotans Zorn nicht auf sich lenken.

    *

    Hreidmars Halle stand auf einer steilen Klippe hoch über dem Fluß. Es war ein breiter, viereckiger, aus Holz gezimmerter Bau. Im abendlichen Zwielicht sahen die Götter Hreidmars Banner wehen: zwei gekreuzte rote Schwerter auf dunkelblauem Feld. Es warnte jeden vor dem gefürchteten Kriegsführer und dessen Männern. »Sieht sehr düster aus«, erklärte Loki, als sie hinaufkletterten. »Hat dieser Hreidmar eine schöne Frau, hübsche Töchter oder irgend etwas, damit die Nacht nicht zu langweilig wird?«
    »Hreidmars Frau ist tot, und ich glaube, seine Töchter sind nicht besonders hübsch«, erwiderte Wotan. »Aber er hat starke Söhne, die dir genauso gut gefallen müßten, und im Stall stehen Hengste - Mutter von Sleipnir.« Loki wurde wütend. Jeder in Asgard wußte, daß er sich in eine Stute verwandelt hatte, um den Hengst zu verführen, der dem Riesen geholfen hatte, die Mauern der Götterburg zu bauen. Neun Monate später war er mit dem achtbeinigen Füllen Sleipnir zurückgekehrt.
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