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Rheingold

Titel: Rheingold
Autoren: Stephan Grundy
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»Du hast kaum ein Recht, mir das zu sagen«, brauste er wütend auf, »ich weiß noch sehr gut, wie du...« Aber sie hatten bereits die Mauern der Festung erreicht. Zwei bewaffnete Wachen standen am Tor, und so blieb keine Zeit für alte Streitigkeiten. Wotan hüllte sich in den dunkelblauen Mantel und ging den anderen beiden voraus. »Halt!« rief eine der Wachen. Es war ein großer und kräftiger Mann in einem Gewand aus dickem Leder. »Wie heißt ihr und was wollt ihr hier?«
    Trotz der rauhen Worte klang seine Stimme offen und freundlich. Aus seiner Lederkappe hingen zwei rotbraune Zöpfe. Wotan kannte ihn von früheren Schlachten. Es war Hreidmars ältester Sohn Fafnir, ein guter Krieger, wenn auch etwas sorglos. Ihm fehlte die Kampfwut eines Berserkers oder eines wahren Kämpen, aber er kämpfte gern und gut.
    »Wir sind drei Wanderer«, antwortete Wotan, »man nennt mich Aquil, mein Bruder dort«, er deutete auf Hörnir, »heißt Ciconii, und er«, Wotan wies auf Loki, »ist der Fuchs.«
    »Oh, Adler, Storch und Fuchs - da wandert ja eine seltsame Gruppe von Tieren zusammen. Was wollt ihr hier? Möchtet ihr den Drichten Hreidmar sehen, oder habt ihr Sippschaft bei seinen Kriegern?«
    »Wir ziehen zur Rheinmündung. Dort lebt ein Mann, der heißt Sigmund. Ihn möchte ich aufsuchen, wenn alles so geschieht, wie es soll. Aber heute bitten wir um das Gastrecht für die Nacht, denn wir haben einen weiten Weg hinter uns und sind hungrig und müde.«
    »Seid willkommen, ihr drei Wanderer«, sagte Fafnir, trat vor und umfaßte mit derber Herzlichkeit Wotans Unterarm. Seine Augen wurden größer, als Wotan den Gruß mit seiner starken Hand erwiderte, aber Hreidmars Sohn verzog keine Miene. Er begrüßte Hörnir und drückte dann zum Gruß Lokis Arm, zog aber schnell die Hand zurück, denn der Arm schien zu glühen.
    »Hast du Feuer im Mantel versteckt, Fuchs?« fragte er spöttisch, aber Wotan entging der erschrockene Unterton nicht. Der Mann schien das unheimliche Wesen der Gäste zu ahnen, die er in die Halle seines Vaters eingeladen hatte. Der Gott zeichnete unbemerkt mit dem Finger eine Rune in die Luft, flüsterte ihren Namen: Wunjo - Freude - und weckte ihre Macht, um den Mann zu beruhigen und fröhlich zu stimmen.
    »Ich bin Fafnir, Hreidmars Sohn.« Er hob den Kopf und sog den Duft von gebratenem Fleisch ein, der aus der Halle drang. »Wenn ich nicht irre, wird dort drinnen schon das Abendessen aufgetragen, und meine Wache ist ohnehin bald zu Ende. Harjaman, du bleibst hier, bis unsere Ablösung kommt.«
    Der andere Wachposten strich sich über den dünnen blonden Schnurrbart. »Faulpelz... na gut, ich paß schon auf.«
    Fafnir öffnete das schwere Eichentor und führte seine Gäste in die Halle. Zwei lange schmale Tische standen in der Mitte des Raums. Krieger saßen auf beiden Seiten und unterhielten sich so laut, daß der Lärm der Stimmen vom verrußten Gebälk widerhallte. Am anderen Ende loderte ein riesiges Feuer, und an den Wänden brannten Fackeln. Die Flammen erfüllten die große Halle mit angenehmer Wärme.
    Ein rundliches Mädchen mit lockigen dunkelbraunen Haaren eilte den Fremden entgegen. Sie trug einen sauberen Leinenrock und ein enges Obergewand unter einem kurzen Umhang. Sie lächelte atemlos. Fafnir nickte ihr aufmunternd zu, und sie sprudelte übereifrig heraus: »Lofanheid, Hreidmars Tochter, heißt euch in dieser Halle willkommen.«
    Sie blickte keck in Wotans Auge, dann zu Hörnir und Loki. Wotan mußte kein Hellseher sein, um ihre Träume von starken Helden zu erraten. Die Sehnsucht nach einer Liebe und Abenteuern stand ihr auf die Stirn geschrieben. Zu seiner Überraschung spürte er jedoch unter den wirren, noch kindlichen Gedanken die schlummernde Glut ungeahnter Macht. Das Mädchen stammte von Frowe Hulda, obwohl die Kleine das nie erfahren würde, wenn nicht ein besonderer Anlaß die verborgene Kraft in ihr weckte. Fafnir forderte seine Schwester auf, das Essen zu bringen. Als sie mit Holztellern, Brot und Fleisch und vier Trinkhörnern zurückkam, musterte sie unter gesenkten Augenlidern die seltsamen Fremden, die ihr Bruder in die Halle geführt hatte. Loki sah sie aufmunternd an, als sie ihm Bier und Essen reichte. Seine schlanken heißen Finger drückten verstohlen ihre weiche, rundliche Hand; sie kicherte und wurde rot. Wotan warf seinem Bruder, der unschuldig zu ihm aufblickte, einen warnenden Blick zu, während Fafnir seine Schwester wegschickte und mit ihnen an das andere
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