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Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)

Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)

Titel: Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
Autoren: Janine Höcker
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Blut und den Schmerz ihres toten Gefährten. Todesangst peitschte durch Auriels Adern.
    „Ich bin noch nicht so weit“, schluchzte sie entschuldigend, sprang vom Boden auf und rannte blindlings davon.
     
    Hemmungslos weinend eilte sie in die Nacht hinein, ungerührt dessen, was hinter ihrem Rücken geschah. Sie ignorierte die drakonischen Rufe ihres Mentors, überhörte das überraschte Tuscheln der aufgebrachten Zauberer. Ihr einziger Gedanke galt dem Bestreben, das Bild des sterbenden Wolfes aus ihrem Kopf zu vertreiben.
    Auriel rannte den Hügel hinauf und durch die Nacht, bis sie die schützenden Ausläufer des dunklen Waldes erreichte. Schluchzend vor Trauer über den Tod, den sie zu verantworten hatte, gequält von der Schuld, die an ihr nagte, schrie sie ihre Verzweiflung in die Dunkelheit. Sie wurde getrieben von dem Hass, den sie auf sich selbst verspürte und zugleich gehetzt von der Reue, die sie quälte. Die junge Frau fühlte sich wie zerrissen zwischen dem Glauben, ein unschuldiges Tier aus purer Mordlust getötet zu haben und der unbändigen Angst, vor dem Zirkel und den Göttern versagt zu haben. Schuldgefühle und Bedauern nagten in ihrem Herzen und gruben sich tief in ihre Brust. Gewissensqualen gegenüber den Göttern und ihrem Mentor, doch auch tiefes Beklagen für ihr Opfern.
    Sie hatte die Erwartungen ihres Mentors nicht erfüllt, war schwach geworden, als sich ihr Talent gerade hatte offenbaren sollen.
    Ist das Gute in mir doch noch nicht ganz von der Finsternis beseelt? Kann ich noch immer Mitleid empfinden? Für ein einfaches Tier? Auriel empfand Abscheu vor dem Gedanken, Mitleid empfunden zu haben. Und die neue Erkenntnis, die sie gewonnen hatte, verunsicherte und widerstrebte ihr so sehr, dass sie sich erbrach.
    Hustend und würgend hockte sie am Boden. Nichts als die Dunkelheit um sich herum wahrnehmend und den sauren Geschmack in ihrem Mund schmeckend, weinte sie hemmungslos.
    „Wie kann es sein, dass ich für diesen Wolf Mitleid empfinde?“, ärgerte sie sich. „Mitleid ist etwas für Schwächlinge, für einfache Menschen, für Priester meinetwegen. Aber nicht für Hexerinnen des Zirkels der verwobenen Grauen.“ Ein Schaudern überkam sie, sie fühlte sich schmutzig und ausgebrannt. Ich habe so endlos viele Qualen und Schmerzen auf mich genommen, nur, um diese menschlichen Gefühle endlich loszuwerden und dennoch ...
    Auriel begriff, dass das Menschsein sie übermannt hatte, dass noch nicht alle Gefühle und Regungen in ihr verstummt waren und den Platz für Hass und Verderbnis kampflos freigegeben hatten. Sie war noch immer ein Mensch, ein mitfühlendes Wesen – ein Geschöpf, das sich elend fühlte und unheimlich kraftlos, wie geschändet durch eigene Taten. Ihr Traum, eines Tages genauso kaltherzig und ein ebenso mächtiger Finsterzauberer zu werden, wie der Hohepriester, zerfächerte und trieb mit dem Wind von dannen.
    Die junge Frau schleppte sich einige Schritte voran, bis sie einen dicken Baumstamm erreichte, an den sie sich kauerte. Sie zog sich ihren dunkelgrünen, dicken Umhang fest um die Schultern, verbarg die bloßen Füße unter ihrem Kleid und schlug die weite Kapuze über ihr langes Haar.
    Auriel stützte das Kinn auf den angewinkelten Knien ab und starrte in die Dunkelheit hinein, während die Tränen ungehindert weiter über ihre Wangen perlten. Sie konnte das Lodern der großen Feuer auf der Lichtung im Tal erkennen, roch den schwülen Geruch des Räucherwerks und hörte anhand der Laute von Trommeln und Stimmen, dass das Ritual wieder seinen Gang nahm. Auriel wusste, dass der Hohepriester ein mächtiger und erfahrener Zauberer war, den ihr Auftritt nicht aus der Fassung hatte bringen können. Ohne großen Zeitverlust hatte er das Ritual vorangetrieben, den Mitgliedern des Zirkels bewiesen, dass keine Unterbrechung die Opferung aufhalten konnte.
    Ungleich mehr fürchtete sich Auriel vor der Rache ihres Mentors. Sie wusste, dass sie ihn betrogen hatte und ein Versteck im Wald würde ihr niemals Schutz gewähren, gleich, wie weit sie auch davon laufen würde. Der Hohepriester, das wusste die junge Frau, verfügte über ausreichende Mittel auf magischem Wege, um vermisste Personen ausfindig zu machen.
    Schon sah sie sich gepeinigt von grässlichen Strafen, gequält von grauenvollen Erniedrigungen, gedemütigt für ihr Versagen. Das Gesicht ihres großen Vorbilds vor Augen stieg erneut Übelkeit in ihr auf.
    Auriel lauschte schluchzend dem Rauschen des Windes und
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