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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition)
Autoren: Daniela Gerlach
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trat, er klopfte, er klingelte, dahinter tat sich nichts mehr, alles, was dahinter lag, darauf hatte er keinen Einfluss und kein Recht, und er hier draußen. „Blöde Kuh!“, brüllte er.
    Dann setzte er sich draußen auf die Stufen zum Hauseingang. Da saß er ewig lang bis ihm alle Glieder vor Kälte schmerzten. Er erzählte sich die Wahrheit. Und einmal war die Alte aus dem ersten Stock erschienen. Stand da einfach mit ihrem hellblauen Morgenrock und ihrem schwarzen Kraushaar. Sie war Witwe, nicht mehr jung, fühlte sich aber so, immer braun im Gesicht, weil sie bei jedem Sonnenstrahl in den Isarauen lag und sich sonnte, sie wusste alles, was im Haus vor sich ging. Alle nannten sie Alexandra, aber Vera meinte mal, sie hätte den Namen sicher erfunden. Der hellblaue Morgenrock schimmerte in der Dunkelheit und klaffte vorne ein gutes Stück auf. Was denn los sei? Er sei doch der Freund von der Vera, nicht? Man könne doch nicht hier mitten in der Nacht ..., das müsse er doch einsehen ... Ob er irgendwelche Probleme hätte? Später wusste er nicht mehr, ob er ihr etwas erzählt hatte. Ihr Blick war halb verständnisvoll, halb vorwurfsvoll, womöglich auch lüstern? Sein männlicher Instinkt täuschte ihn doch nicht. „Nun gehn´s mal schlafen“, sagte sie noch und verschwand. Und er, Spargel, stand endlich auf, als es hell wurde. Es war Samstag.
     
    Eines Morgens fühlte er sich nicht gut. Da war wieder ein Geschmack von bitteren Mandeln in seinem Mund und darüber lachte er nun böse, aber es störte ihn, während er mit seinen Paketen zugange war. Er hatte das Gefühl, die Orientierung verloren zu haben. Etwas lief falsch. Das Ganze hier war kein Traum mehr, aber auch keine Realität. Und wo er selber eigentlich stand, das fragte er sich jetzt. Er hatte sich benommen wie ein Idiot, und immer noch gab es nichts Wichtigeres als Vera. Olaf war in ein anderes WG-Zimmer gezogen, das ihm wieder mal der gute, allwissende Bruno vermittelt hatte. Er teilte eine Giesinger Altbau-Wohnung mit zwei bebrillten Archäologie-Studenten, die permanent ihren intelligenten Humor zur Schau stellten und die ihn schon ankotzten noch bevor sie für einen Monat zu Ausgrabungen in den Jemen fuhren. Es war nicht optimal, aber er hatte wenigstens ein Zimmer, in dem er ein paar eigene Sachen unterbringen konnte: eine Matratze, Fernseher, Stereoanlage, ein paar Bücher. Er hatte die Wände in einem hellen Grün gestrichen. Jetzt konnte Vera mal zu ihm kommen, vielleicht abends nach der Arbeit, und dann würden sie zusammen was kochen, zusammen schlafen und morgens zusammen frühstücken. Er wünschte sich das so sehr.
    Er nahm ein Paket und trug es zum Lieferwagen. Ob er es noch einlud, daran konnte er sich später nicht mehr erinnern. Olaf Keune fiel einfach um. Er hatte Glück, dass sein Kopf nicht zuerst auf die Kante der Laderampe geknallt war und dass der Pförtner sofort reagierte und einen Krankenwagen rief.
     
    Zwei Tage lag er auf der Intensivstation, mit Schläuchen an verschiedene Apparaturen angeschlossen. Er fühlte sich klein und schwach, aber das störte ihn nicht, endlich war Ruhe in ihm. Der Oberarzt sagte, das wäre gerade noch mal gut gegangen. Angst wollte nicht aufkommen, er nahm alles so wie es kam. Man nannte es auch Herzflimmern. Klang gar nicht schlimm, irgendwie nett, wie der Titel eines schönen, bewegenden Films. Der Herzrhythmus müsse nun wieder eingestellt werden, aber der Herr Keune ist ja ein junger, kräftiger Mann, das kriegen wir schon wieder hin. Ja, wir, wir kriegen das hin. Wen man denn benachrichtigen solle? Meine Lebensgefährtin.
    Während er schlief, dachte er, dass er noch nie so ruhig geschlafen hatte. Dann sah er sie neben seinem Bett sitzen, vom Schlaf aus sah er sie wie durch ein Fenster, schön, dass sie da war, aber er fühlte sich ganz wohl hier, wunschlos. In ihren Augen Besorgnis, behutsam nahm sie seine Hand, ihr Kuss lag ganz leicht und vorsichtig auf seiner Wange, sie, schon wieder traurig. „Wie geht´s dir denn?“
    Er nickte. Sie trug einen neuen Pullover. Sie streichelte seinen Handrücken, auf der anderen Seite steckte eine Nadel in der Vene. Nach zehn Minuten kam die Krankenschwester und bat sie zu gehen. „Ich komme morgen wieder“, sagte sie und lächelte. Sie kam jeden Tag, auch, als er nur noch zur Beobachtung in einem anderen Zimmer lag. Einmal sagte sie: „Morgen Vormittag hole ich dich ab.“ In ihrem Blick lag etwas, was er schon lange wusste. Eine Zukunft, in der
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