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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition)
Autoren: Daniela Gerlach
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auf, ich will mit dir reden, mach auf!“
    „Wir reden morgen, schlaf erst mal deinen Rausch aus.“
    „Ich will jetz mit dir reden, Scheiße nochma! Mach die Tür auf!“ Dann schrie er über die Straße: „Jetzt, jetzt, jetzt!“
    „Olaf, hör auf!“
    Hinter zwei Fenstern wurde Licht gemacht. Jemand im dritten Stock beschwerte sich. Der Herr Breinbauer war´s, hatte sich extra einen Pullover über die Pyjamajacke gezogen, um zur Ordnung zu rufen. Olaf krakeelte, spuckte aus und versetzte der Hauswand Fußtritte. Kurz darauf stand Vera vor ihm.
    „Mensch, sei doch ruhig! Spinnst du eigentlich?! Die ganzen Leute werden wach.“
    „Das iss mir scheißegal. Ich will mit dir reden. Alles andere iss mir scheißegal!“
    „Hör auf zu schreien! Ich kann jetzt nicht, versteh das doch endlich. Ich muss dringend noch was fertig machen, ich muss mich konzentrieren ...“ Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Du bist doch total betrunken.“
    „Ich bin nich betrunken, ich weiß genau was hier abläuft.“ Er schluckte schwer, räusperte sich. Sie berührte sanft seinen Arm, er schüttelte ihn unwirsch ab. Wie hasste er diese Gesten, und noch mehr ihr Mitleid, das sie so gern verschwendete. „Lass mich!“
    Es wurde still. Eine Stille, in der jeder in dieser Straße genau das Gegenteil von dem wollte, was gerade passierte. Spargel wurde jetzt fröhlich. Er legte den Arm um ihren Nacken und zog sie an sich. „Ej, ich bin echt nich betrunken. Tut mir leid, dass ich etwas laut war. Ich rede jetzt ganz normal, ja? Ich hab echt nur ´n paar Bier getrunken. Komm, lass uns hochgehen.“
    An ihrem angewiderten Gesicht konnte man Spargels Alkoholgehalt im Blut ablesen. Sie wand sich aus seinem Arm. „Hör auf und lass mich jetzt! Morgen, Olaf, morgen können wir zusammen essen, dann reden wir. Und jetzt lass bitt ...“
    „Lass mich, lass mich! Oh bitte, bitte!“, äffte er. „Ich lass dich, ich tu dir schon nix, Herrgott nochma!, bin ich eigentlich der Arsch, oder was?“
    „Ja, gebt´s boid a Ruah!“, rief der Herr Breinbauer. Vera schniefte. Das arme Mädchen. Einer vom Haus gegenüber rief was von Polizei holen. Und Vera heulte. Ihre Verzweiflung war so rein und wahr wie früher ihre Liebe für ihn.
    „Ich will nur meine Winterjacke holen“, murmelte Olaf, dann laut: „Ich hol meine Jacke und dann hau ich wieder ab.“
    Vera zog Olaf wütend am Ärmel in den Hauseingang und schloss die Tür auf. Im Fahrstuhl hielt sie ihn immer noch fest, wie im Krampf, auch ihr Gesicht und ihre Gedanken ein einziger Krampf. „Lass mein Arm los, ej! Pack mich nich an!“ Vera erschrak. „Ich bin echt wütend“, setzte Olaf Keune unnötigerweise nach. Dann trampelte er, sprang hoch, dass es in dem engen Fahrstuhl wackelte.
    „Hör auf“, wimmerte Vera, „hör doch auf!“
    Sie hatte Angst, er sah das Ende, Zerstörung musste sein, er trampelte noch mal kräftig, es musste endlich etwas passieren, Vera weinte und zitterte und als das Ding endlich im dritten Stock hielt, stürzte sie aus der Fahrstuhltür. Das Zimmer war in sanftes Licht getaucht. Es war ruhig, aufgeräumt und gemütlich, man konnte die Konzentration spüren, die nun aufgeschreckt wurde. Vor dem Bett, auf dem weichen, runden Teppich, lagen mehrere Reihen Fotos, ein Block mit Notizen. Am liebsten hätte er mit dem Fuß alles durcheinandergebracht, hätte die Fachbücher über Fotografie aus dem Regal gerissen, diese Ordnung, Ordentlichkeit und Ruhe. Es sah aus, als würde nur eine Person hier wohnen. Sie gab ihm seine Jacke. „Da.“
    „Ich will hierbleiben.“
    „Bitte, Olaf, das geht nicht! Ich muss meinem Kunden bis morgen Vormittag ein Konzept präsentieren. Ich muss das fertigkriegen, begreif das doch!“
    Ihre Verzweiflung schockierte ihn, aber sie machte ihm auch Spaß. Ein absurder Kitzel bewegte sich in ihm. Er wollte nicht tun, was sie verlangte, und nicht tun, was man erwartete, auch nicht, was man sich wünschte, war doch nich der Nikolaus, Mann, das alles hier war einfach unwürdig. Das war das entscheidende Wort: die Würde. „Hat sich eigentlich schon eima einer überlegt, was das heißt: die Würde?“
    „Ich kann nicht mehr“, sagte sie. Sie schob ihn aus der Tür, sie schob kräftig und entschieden, als hielte sie sich einen riesigen Felsbrocken vom Leib. Sie machte die Tür zu und drehte den Schlüssel herum. Vor seiner Nase. Die weiße PVC-Tür mit dem impertinenten Spion in der Mitte. Würde. Er hämmerte gegen die Tür, er
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