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Der Schachspieler

Der Schachspieler

Titel: Der Schachspieler
Autoren: Jeffrey B. Burton
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Prolog
    Der Special Agent zog seinen Ausweis und zeigte ihn den beiden Polizisten, die beim Eingang des Hauses standen, in dem sich der jüngste Mord in Washington D. C. ereignet hatte. Die beiden Übertragungswagen hinter der Absperrung ließen erahnen, dass der Fall morgen früh das große Thema für die Medien sein würde.
    Nein, korrigierte sich der Special Agent, während er das Sicherheitssystem am Eingang begutachtete: Der Fall würde schon heute früh die Fernsehnachrichten beherrschen und die Hauptstadt erschüttern. Der Agent zog elastische Überschuhe über seine schwarzen Florsheims und ging zur Treppe. Der Kaffee, mit dem er sich die Speiseröhre verbrannt hatte, während er zum Tatort gehetzt war, hatte ihn kaum wacher gemacht. Er war zu alt für diese mitternächtlichen Anrufe und hätte sich leicht auf eine der Marmorstufen im Treppenhaus legen und noch fünf Stunden schlafen können. Aber das hätte sich wohl kaum positiv auf den weiteren Verlauf seiner Karriere ausgewirkt.
    Das Brink’s-Sicherheitssystem erfüllte allerhöchste Anforderungen. Falls das Opfer die Alarmanlage nicht selbst ausgeschaltet hatte, hieß das nichts Gutes: Der Täter war ein Experte. Nach zwei kurzen Telefongesprächen auf dem Weg wusste er, dass das Hausmädchen eine kranke Schwester in Seattle besuchte. Der Chauffeur, der friedlich in seinem Bett in Alexandria schlummerte, hatte seinen Chef nach einem späten Abendessen mit einer Gruppe von Senatoren zu seinem Haus in Georgetown gebracht, mit der strikten Anweisung, ihn am nächsten Tag um Punkt zehn Uhr abzuholen.
    Der Special Agent stieg die Treppe hinauf und durchquerte den langen Flur zu einem Zimmer, aus dem die gedämpften Stimmen der Ermittler drangen. Er schaute auf seine Uhr: drei Uhr nachts. Das wahrscheinlichste Szenario: Das Opfer kommt nach Hause, tippt den Sicherheitscode ein, steigt die Treppe hoch, hängt Krawatte und Jackett in den Schrank, zieht seine Ferragamo-Schuhe aus, geht ins Bad, um sich rasch die Zähne zu putzen, und betritt das Schlafzimmer, wo der Täter auf seinem Bett sitzt. Keine Anzeichen eines Kampfes, vielleicht kannte er den Täter, hat ihn – oder sie, wir sind hier schließlich in Washington – womöglich sogar selbst hereingelassen, kurz nachdem der Chauffeur sich verabschiedet hatte. Und dann bekommt der Mann, den der Präsident erst kürzlich zum nächsten Vorsitzenden der Wertpapieraufsichtsbehörde, der United States Securities and Exchange Commission, ernannt hatte, eine Kugel in die Stirn.
    Doch das war nicht der alleinige Grund, warum der Agent auf seinen Schlaf verzichtet und mitten in der Nacht quer durch die Stadt gehetzt war. Es gab da etwas, das er mit eigenen Augen sehen musste, bevor sie die Leiche des designierten SEC-Vorsitzenden zur Autopsie brachten.
    Der Special Agent erblickte Detective Howell und ging zu ihm rüber. Er war Howell im vergangenen Jahr ein-, zweimal begegnet.
    Der Detective begrüßte ihn mit einem Kopfnicken. »Der Schütze muss mit dem Telefon beim Bett noch den Notruf 911 angerufen haben, bevor er ging.«
    Der Agent beobachtete, wie ein Kollege Fingerabdrücke am Telefon sicherte. »Feiner Kerl.«
    »Ich hab mir die Aufnahme angehört. Er sagt kein Wort, absolut nichts, also schickt die Zentrale einen Streifenwagen und einen Krankenwagen hin.« Detective Howell sah den FBI-Agenten fragend an. »Sagt Ihnen das was?«
    Der Agent zuckte die Schultern. »Kommt drauf an. Was gibt es sonst noch?«
    »Sprechen Sie mit denen«, antwortete Howell und zeigte mit dem Daumen über die Schulter.
    Der Special Agent ging zum Toten und kniete neben ihm nieder. Zwei Rechtsmediziner hockten bei der Leiche, einer sprach seine Beobachtungen in ein Diktiergerät. Ein Forensikteam untersuchte das Schlafzimmer, ein anderes hatte sich das Badezimmer vorgenommen. Der Agent hatte kein gutes Gefühl. Er bezweifelte, dass sie etwas Brauchbares finden würden.
    C. Kenneth Gottlieb II., siebzig Jahre alt, verwitwet, lag auf dem Rücken, mit einem faustgroßen Loch im Hinterkopf. Das bringen Austrittswunden nun mal so mit sich.
    »Was haben Sie gefunden?«, fragte der Agent.
    Der Rechtsmediziner mit dem Diktiergerät hörte auf zu sprechen und schaute ihn durch seine dicken Brillengläser an. »Kaliber fünfundvierzig möglicherweise.«
    Der Agent inspizierte die Eintrittswunde an der Stirn und hoffte darauf, dass es genügen würde, den Fall aus der Ferne zu verfolgen, über die Medien, und dass er diese Nacht nicht in
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