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Der Schachspieler

Der Schachspieler

Titel: Der Schachspieler
Autoren: Jeffrey B. Burton
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Verhaltensanalyseabteilung würden sagen, Sie haben ein dringendes Bedürfnis nach Erlösung, oder einfach danach, die Dinge zu verarbeiten und abzuschließen.«
    Cady schüttelte schweigend den Kopf.
    »Hören Sie mir erst zu«, fuhr Jund fort und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Ich bin in einer atheistischen Familie aufgewachsen, also kann ich zum Thema Erlösung nicht viel sagen. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, eine Sache abzuschließen. Das ist natürlich etwas sehr Persönliches, und ich hab meine ganz eigene Art, die Dinge zu verarbeiten: Ich setze mich im Gerichtssaal hinter den Angeklagten und starre ihm ein Loch in den Hinterkopf. Nach einer Weile spürt er meinen Blick und dreht sich um. Das klappt immer. Und dann glotze ich ihn an wie Stan Laurel höchstpersönlich.«
    »Sie meinen den von Laurel und Hardy?«, fragte Cady verwirrt.
    »Meine Stan-Laurel-Nummer ist perfekt, Agent Cady. Perfekt. Damit verschaffe ich dem Kerl den Eindruck, dass ihn einer geschnappt hat, der nicht mehr Grips hat als ein hirnamputierter Hamster. Erinnern Sie sich an den Hundezwingermörder vor zehn Jahren? Beim Prozess drehte er sich immer wieder zu mir um, weil er’s gar nicht glauben konnte. Ich hatte den Mund aufgeklappt und sah aus wie der komplette Trottel. Als sie ihn an diesem Nachmittag zurück in seine Zelle brachten, versuchte er, sich die Pulsadern durchzubeißen. Ich stell mir gern vor, dass ich ihn so weit gebracht habe. Ich weiß, das klingt für die meisten ziemlich geisteskrank, aber so finde ich meine Ruhe. So kann ich nachts schlafen.«
    Cady ließ Junds Worte einige Augenblicke einwirken, immer noch mit dem Gefühl, dass das Ganze nur ein Scherz war. »Nein, Sir«, sagte er schließlich kopfschüttelnd, »es geht mir nicht darum, einen Abschluss zu finden.«
    »Oh doch, ich glaube schon«, beharrte der Assistant Director, beugte sich vor und schlug zur Betonung mit der Hand auf die Aktenmappe. »Sie hatten damals das Gefühl, dass er uns entwischt ist, dass er seinen Tod geschickt inszeniert hat. Das heißt, es hat drei Jahre in Ihnen gebrodelt, drei Jahre voller Zweifel und Fragezeichen. Falls es kein Nachahmungstäter ist, können Sie uns helfen, den Hurensohn zu schnappen, Agent Cady, und dieses Kapitel für sich abschließen.«
    »Sir …«
    »Nein, Agent Cady. Bitte, lassen Sie mich ausreden. Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie die Ermittlungen leiten. Das übernimmt Liz Preston, fürs Erste jedenfalls. Sie bleiben im Hintergrund, haben nichts zu tun mit den Medien.«
    »Und was soll ich dann tun?«
    »Es geht nicht um Schwerarbeit. Sie sollen mit Liz zusammenarbeiten und die Hinweise im Gottlieb-Fall prüfen. Das wird nicht lange dauern, weil wir nicht viel haben. Schauen Sie, ob die Fakten für einen Copycat-Killer sprechen.«
    »Irgendwie glaube ich nicht so recht, dass Sie mich dafür haben kommen lassen.«
    »Ich brauche Sie für den Fall der Fälle.«
    »Was soll das heißen?«
    »Falls es doch kein Nachahmungstäter war, falls der Chessman tatsächlich noch lebt und uns an der Nase herumgeführt hat, dann weiß keiner mehr über den Fall als Sie. Dann müssten Sie eine Zeitreise in die Vergangenheit machen und den einen Hinweis finden, den wir übersehen haben. Etwas, das ihm das Genick bricht oder ihm die Giftspritze einbringt.«
    »Sie wollen, dass ich Cold-Case-Ermittlungen starte?«
    »Nach dem Tod von Patrick Farris war die Sache abrupt zu Ende. Der Chessman war tot, also wurden die Ermittlungen eingestellt. Aber wenn wir uns geirrt haben …« Der AD ließ seine Worte in der Luft hängen.
    »Dann ist wieder alles offen – ein Cold Case«, sagte Cady nachdenklich.
    Jund stand auf und nahm die FBI-Akte vom Schreibtisch. »Lösen Sie den Fall aus der Vergangenheit, und wir fangen den verdammten Mörder in der Gegenwart.«
    Assistant Director Jund hielt ihm die Chessman-Akte hin.
    Cady nahm sie entgegen.
    Jund wollte noch etwas sagen, als es plötzlich klopfte und die Sekretärin mit dem finsteren Blick in der Tür stand.
    »Tut mir leid, dass ich störe, Director, aber die Washington Post vermutet, dass hinter Gottliebs Tod der Chessman stecken könnte. Ein Reporter möchte eine Stellungnahme.«

2
    C ady saß in seinem Zimmer im Embassy Suites Hotel und wunderte sich immer noch darüber, wie schnell ihn Assistant Director Jund rumgekriegt hatte. Der AD ließ ihn einen Arbeitsvertrag und mehrere Vertraulichkeitserklärungen unterschreiben, ehe er ihn zu
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