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Der Schachspieler

Der Schachspieler

Titel: Der Schachspieler
Autoren: Jeffrey B. Burton
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einem zugigen Besprechungszimmer verbringen müsste und doch noch zu ein paar Stunden Schlaf kommen würde.
    »Sonst noch was?«
    »Das Verrückteste, was ich in acht Jahren in dem Job gesehen hab.« Der Rechtsmediziner hielt einen kleinen Beutel hoch, und der Special Agent wusste augenblicklich, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. In dem Beutel befand sich eine Schachfigur: eine blutig rote Dame aus Glas. »Das hier hat ungefähr einen Zentimeter tief in der Eintrittswunde gesteckt. So fest, dass ich die Figur mit der Spitzzange rausziehen musste, nachdem die Fotografen fertig waren.«
    Der Agent erhob sich und tippte im Hinausgehen eine Nummer in sein Handy. Der Angerufene hob nach dem ersten Klingeln ab.
    »Er ist wieder da.«

Erstes Buch
Eröffnung

1
    E s war ein stressiger Tag gewesen. Und es sah nicht so aus, als würden die nächsten Tage ruhiger werden.
    Special Agent im Ruhestand Drew Cady hatte geglaubt, sein früheres Leben endgültig hinter sich zu haben, und ärgerte sich über sich selbst, dass er überhaupt den Anruf angenommen hatte: Schließlich hatte er schon an der Nummer auf dem Display erkannt, dass der Anruf aus Quantico kam, von der FBI-Akademie am Stützpunkt des United States Marine Corps in den grünen Hügeln von Virginia.
    Dabei hatte er vor sechs Stunden noch friedlich in seinem Arbeitszimmer gesessen und ein Glas frisch gepressten Orangensaft getrunken. Er war drauf und dran gewesen, bei einer Onlineauktion zuzuschlagen und einen Abraham-Lincoln-Half-Dollar aus dem Jahr 1918 zu ersteigern. Nach seiner Frühpensionierung war die amerikanische Numismatik sein großes Hobby geworden. Cady hatte nebenbei kurze Beratungstätigkeiten übernommen, hauptsächlich für Hotelketten, die ihre Sicherheitsvorkehrungen auf den Stand des einundzwanzigsten Jahrhunderts bringen wollten. Doch die meiste Zeit widmete er mittlerweile dem Münzsammeln. Und dieses kleine Juwel war in hervorragendem Zustand, die leichte rötliche Patina schmückte es nur noch mehr.
    Nein, Cady hätte nicht ans Telefon gehen sollen.
    Roland Jund, sein ehemaliger Chef und heute einer der stellvertretenden Direktoren des FBI, hatte zwar keine Details verraten, ansonsten jedoch alle Register gezogen, um ihn zu umschmeicheln, zu überreden und fast schon zu erpressen, damit Cady alles stehen und liegen ließ und zum Flughafen fuhr. Ein Auto würde in wenigen Minuten vor Cadys Haustür eintreffen, damit er mit der nächsten Maschine von Canton, Ohio, in die Hauptstadt flog und sich auf dem schnellsten Weg ins J. Edgar Hoover Building begab, die Zentrale des Federal Bureau of Investigation, wo Jund sich schnellstmöglich mit ihm treffen wollte.
    Nachdem er die Sicherheitskontrolle passiert hatte, führte ihn eine finster dreinblickende Sekretärin in einen leeren Konferenzsaal und teilte ihm mit, dass die »anderen Agenten« gleich eintreffen würden. Haben sie hier immer noch nicht mitbekommen, dass ich im Ruhestand bin? , fragte sich Cady. Zum Glück war er auf dem Weg zum Konferenzsaal an einem Kaffeeautomaten vorbeigekommen und hatte sich unter dem vorwurfsvollen Blick der Sekretärin einen Becher geholt. Der Kaffee war zu süß, als hätte Cady unbewusst ein paar Extralöffel Zucker hineingegeben, um sich die bittere Medizin zu versüßen, die er zu schlucken bekommen würde. Der Becher stand inzwischen fast leer auf dem Konferenztisch, neben seinem unberührten Notizblock. Gut, dass ich mich so beeilt habe , dachte er, jetzt kann ich hier sitzen und Däumchen drehen  – obwohl ihm auch das nicht mehr so recht gelang, seit die Beweglichkeit seiner rechten Hand zu fünfzig Prozent eingeschränkt war.
    Und warum genau sitze ich überhaupt hier ?, fragte er sich. Drei Jahre sind in dem Geschäft eine Ewigkeit . Wie sollte er ihnen heute noch helfen? Die Ermordung des designierten Vorsitzenden der Wertpapieraufsichtsbehörde C. Kenneth Gottlieb war das beherrschende Thema in den Nachrichten. Cady hatte Gottlieb nicht gekannt, der alte Herr wäre ihm selbst in einer polizeilichen Gegenüberstellung kaum aufgefallen. Der Präsident hatte Gottlieb zum Nachfolger des bisherigen Vorsitzenden ernannt, der kürzlich auf Betreiben beider Parteien zurückgetreten war, nachdem das allgemeine Vertrauen in die Finanzmärkte dramatisch geschwunden war. Die Wall Street erwartete, dass sich mit Gottliebs Amtsübernahme einiges ändern würde. Doch das war eine Welt, für die sich Cady nur am Rande interessierte. Für ihn war Gottlieb nur
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