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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition)
Autoren: Daniela Gerlach
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schlimmer wurde, wenn man das Husten unterdrücken wollte. Dafür war die Dröhnung mit nichts zu vergleichen.
    Die Dose gehörte zu Spargels jetzigem Leben wie die Couch in der Küche, wie die Musik, die den ganzen Tag lief, sie gehörte zu dem Nierentischchen, das neben dem Chefsessel stand und auf dem nur ein schwarzer Füllfederhalter und ein Schreibblock lagen, zu Spargels dunkelgefärbten Haaren, kurz: sie gehörte zu seinem Look. Sie gehörte auf einmal auch zu dem Gefühl, dass diese Frau, Vera, wieder neben ihm war. Als ob sich das eine mit dem anderen ergänzte. Damit hatte er nicht gerechnet. Er konnte an seiner Dose ziehen, während er aus dem Augenwinkel ihre Umrisse wahrnahm, ganz real, kein Hirngespinst. Und er wusste, dass sie ihn verstohlen beobachtete und dass es gut aussah, wie er süßen Rauch aus einer Bonbondose in seine Lungen zog.
     
    Als Olaf Keune sich gegen halb neun schwerfällig erhob, riss er die beiden Fenster auf, stellte die Musik leiser und sagte: „So, Leute, ich muss euch jetzt leider bitten zu gehen. Ich muss noch´n paar Geschäfte abwickeln.“ Motte nickte, hatte wie immer volles Verständnis und war keineswegs sauer, verstaute verschiedene Utensilien, die auf dem Tisch herumlagen, in seiner Jeansjacke, stand auf, streckte sich. „Ich muss auch morgen früh raus“, sagte er im Gähnen, „dann viel Spaß noch, bis demnächst ma.“
    Bert blinzelte und machte ein Gesicht, als hätte man ihn um vier Uhr früh aus dem Tiefschlaf gerissen. „Kannst du mir übers Wochenende was mitgeben?“ fragte er leise, während Olaf ihn zur Tür begleitete. „Ich bezahl das dann am Montag.“
    „Das iss schlecht im Moment, tut mir leid“, antwortete Olaf leise durch die Zähne. „Hast ja gesehen, Motte hat für hundert gekauft, der Freese für fuffzig, und es kommen noch Leute. Ich weiß nich ma, ob das überhaupt reicht. Geht echt nich.“
    Der Bert nickte und ging wie ein geprügelter Hund aus der Tür. Hätte man ein bisschen Erbarmen gehabt, wäre er nicht ohne den tröstenden braunen Krümel in die kalte Nacht entlassen worden. Aber es hatte keiner Erbarmen.
    Der Dunst verzog sich langsam aus der Küche. Vera atmete mal kräftig durch und erkannte das scharfgeschnittene Profil, das leicht hervorstehende spitze Kinn von Dirk Freese, der immer noch auf der Couch saß und mit zittrigen Fingern sein gerade erworbenes Gut in ein Stück Silberpapier wickelte. Seine blassen, gepflegten Schreiberhände, prädestiniert für was Größeres, irgendwann, sicher. Er war viel zu nervös in letzter Zeit. Er dachte, es käme vom Speed, aber im Moment war es wohl auch Spargels Klassefrau, die in sicherem Abstand in der Ecke des Sofas ihre hübschen Beine angezogen hatte. Sie nahm immer wenig Platz ein, allerdings hätte man es diesmal auch als Distanziertheit deuten können. Manche Menschen spüren es, wenn sie anderen nicht sympathisch sind. Dirk Freese war so einer, obendrein einer, den das gleichgültig ließ. Seinem Röntgenblick entging nichts, doch ahnte niemand, was sich hinter dieser Fassade der Zerstreutheit verbarg.
    „Die meinen doch alle, sie könnten Fett ansetzen in den Sesseln von Vater Staat“, sagte er, das Gespräch mit Vera wieder aufnehmend, „aber es gibt Abnutzungserscheinungen. Dass das nicht mehr lange gut geht, kann man sich doch ausrechnen. Ich hab das schon vor dem Regierungswechsel gesehen. Aber die Allgemeinheit ist ja lieber blind und taub. Wenn bald jeder selber sehen muss, wo er bleibt, ist es zu spät, dann kommt das große Wehklagen. Hach, wie ungerecht doch alles ist! Keiner kümmert sich um die Armen und Benachteiligten.“
    „Meinst du, weil der andere Helmut auf dem Thron sitzt, ändert sich auf einmal alles? So schnell kann man den Sozialstaat nicht zerstören.“
    Er fragte sich, ob er ihren schnippischen Ton als gutes oder weniger gutes Zeichen deuten sollte. Das musste er noch herausfinden. „Es muss und wird sich was ändern. Aber bis das die Mehrheit kapiert, hat man schon längst über ihre Köpfe hinweg entschieden.“
    „Ja, echt“, meinte Spargel wie erwachend, „der Bert wird langsam fett. Klar, der bewegt sich auch nich. Wenner nich so geizig wär, würd er seine Freundin auch noch auffe Bank schicken, dasse ihm die Stütze abholt. Sonst isser ja nich verkehrt. Aber langsam geht mir die Bettelei auf die Nerven. Seit ich deale, kommt der hier dauernd angetanzt und will umsonst rauchen. Ich hab ma zu ihm gesagt: Das iss nich, Alter. Wenne
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