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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition)
Autoren: Daniela Gerlach
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Farouk missmutig einen Stempel auf die Hand. Es hieß, er habe vor einigen Jahren mal jemanden im Keller einer – schon wieder geschlossenen – Diskothek eingemauert. Mit dem tumben Fettkloß war eben nicht zu spaßen, auch wenn er manchmal so was Bärchenhaftes an sich hatte.
    Nachdem man die Grenzkontrolle passiert hatte, ging man zwischen Spiegelwänden eine schwarz gestrichene Treppe hinauf. Dann stand man auf einer Art Plattform und von dort aus führte eine andere Treppe wieder hinunter. Unten angekommen konnte man nach links auf die Tanzfläche wetzen oder gleich an der Bar hängen bleiben. Heute arbeitete Anke, angetan mit einem Ringelhemdchen und weißer Röhrenhose.
    „Na Freese, dich habbich ja seit gestern nich gesehn. Limes?“
    „Natürlich, Ankeschatz! Und für meine entzückende Begleitung ebenfalls.“
    Vera, die Frau die hier nicht hingehörte, blickte zur Tanzfläche, auf der sich ein paar Berufsschüler zu Madonna bewegten. Vera konnte diese Musik nicht ausstehen, auch nicht den Limes, der vor ihr stand. Sie sah auf die Uhr. Und wenn er nicht käme? Sie schüttete das grausige Zeug hinunter, als könnte sie damit ein ungutes Vorgefühl betäuben. So wie früher würde es nicht mehr sein, so schlimm nicht, ihre Reisetasche stand schließlich bei ihm. Nervös griff sie nach dem nächsten Glas.
    „Ej, Moment mal! So was macht man aber nicht. Jetzt stoßen wir aber an.“
    „Oh, entschuldige. Prost!“
    Vera fühlte einen wohltuenden Nebel im Kopf und fand, dass es nicht schlecht wäre, wenn das heute so bliebe. Sie erkannte ein Gefühl wieder, aufregend, schön schmerzend, ausschließlich mit Olaf Keune verbunden. Doch das Gefühl war tückisch und konnte leicht umschlagen. Es konnte dramatisch werden, einen in die Tiefe reißen. Allein der Gedanke an die Momente, als er sich nach einem Cafébesuch schweigsam in eine andere Richtung entfernt hatte, als sie bei ihm geklingelt und keiner die Haustür geöffnet und sie hoffnungslos weitergeklingelt hatte, nur der Gedanke daran ließ sie jede Sekunde ihrer Pein noch einmal erleben. Oft hatte sie ihn erst nach Tagen am Telefon erreicht, und wenn sie sich endlich sahen, kamen sich nur ihre Körper nah. Nur Körper, weiß, schwitzend, während feuchte Kälte aus der leeren Werkstatt nebenan über den Fußboden bis zu ihnen kroch, vermischt mit dem Geruch von Katzenpisse, der Anblick leerer Sektflaschen neben einem vollen Aschenbecher.
    „Was machst du eigentlich noch mal?“, fragte Vera, während sie in ihrem Kopf einen Satz hörte: Du bist die schönste nackte Frau, die ich je gesehen habe. Als sie das erste Mal miteinander schliefen. Als sie wieder und wieder miteinander schliefen als wäre es das erste Mal. Heute ist ihre Begegnung anders, die Erinnerung hat endlich ein Band geknüpft, als könnte es endlich mehr sein, Liebe? Die Zeit ohne ihn, wie Jahrzehnte, war vorbei, nur diese Ungewissheit war geblieben – und willkommen. „Du schreibst, hat mir Olaf erzählt.“
    „Ja, für sonne Revierzeitung. Eigentlich mache ich Anzeigenakquisition, das Schreiben hat sich so ergeben. Hab zwar noch größere Projekte im Hintergrund, aber bis es richtig losgeht, vertreibe ich mir die Zeit mit dem Geier. Ich versuche gerade, den Kulturteil etwas auszubauen.“
    „Da hast du bestimmt nicht viel zu tun.“
    „Ich nehme an, du willst damit zum Ausdruck bringen, dass es hier keine Kultur gibt?“ Der Freese ärgerte sich. Dieser Job hatte ihm immer ein gutes Gefühl gegeben. Damit konnte man zwar nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten, dafür wusste man aber, dass man einen Schritt in die richtige Richtung ging. So was kreativ Zeitgeistmäßiges machte keiner hier. Er tat wenigstens schon mal so.
    „Wenn du in einer Großstadt wie München lebtest, wüsstest du, was ich meine. Was da geboten wird, und zwar tagtäglich, kannst du dir nicht vorstellen.“
    „Wahrscheinlich bist du nicht mehr auf dem Laufenden, was diese Gegend betrifft. Man muss sich nur bewegen. Wer Kultur will, der kriegt die jetzt an jeder Ecke; alte, frische, neu gemixte Kultur, man gibt sich echt Mühe. Das mag in einer Stadt wie München nichts Besonderes sein, aber hier zum Beispiel, da haben die Leute richtig Spaß, wenn ihnen was geboten wird. Die können sich richtig begeistern. Das Revier ist besser als sein Ruf.“
    „Was soll denn hier laufen, damit die Leute sich begeistern können? Ich dachte, Stellenabbau wäre im Angebot.“
    Freeses Finger betrommelten ungeduldig die
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