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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition)
Autoren: Daniela Gerlach
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ihn am Ärmel.
    „Hör mal, du musst mir bis morgen ´n Blauen leihen.“ Er brauchte zwar nicht so viel, aber man konnte es ja mal versuchen.
    Spargel sah ihn an, oder doch nicht ganz. Sein Blick hing irgendwie quer. Er schüttelte den mächtigen Kopf von links nach rechts von rechts nach links und machte das blöde Gesicht, das alles Spargelfreunde kannten, wenn Spargel besoffen oder breit war. Aber so dämlich wie er aussah, war er leider nicht.
    „Ne Freese, ich hab keine Kohle“, sprach er in fast normalem Ton.
    Es konnte unter Umständen schwierig werden, ihn zu einem halbwegs vernünftigen Dialog und zur Erfüllung von Freeses Wünschen zu bewegen. Man musste bei ihm auf Überraschungen gefasst sein. Spargel konnte sich wie der letzte Idiot benehmen und ganz plötzlich, von einer Sekunde zu anderen, nüchtern und zynisch sein, als hätte er die Stunden zuvor nur Mineralwasser konsumiert. Der Freese war für alle Fälle gewarnt.
    „Komm, ich hab dir heute für fuffzich Roten abgekauft. Den hast du doch noch in der Tasche. Du kriegst ihn morgen zurück.“
    „Hab ich schon mit meiner Braut durchgebracht.“
    „Wenn ich davon ausgehe, dass wir dieselbe meinen, möchte ich daran erinnern, dass ich die heute ausgehalten habe.“
    „Wo iss´n die überhaupt?“
    „Sie tanzt.“
    Olaf nickte. Dann war sie ja gut aufgehoben. Wird sich schon amüsieren und mit ihrem tollen Arsch wackeln und Ornamente in die Luft malen. Er hatte einen bitteren Geschmack in der Kehle. Wo kam der her? Ein Geschmack nach bitteren Mandeln. Dieser Vergleich begeisterte ihn heute noch genauso wie damals, als er ihn erfunden hatte. Er löste sogar ähnliche Gefühle aus wie damals, wenn man sich ein bisschen Mühe gab. Um traurig zu werden, fehlte ihm heute allerdings das Argument. Dieses Getrenntsein von ihr, ein süßer Schmerz, aber das Wissen um die Nähe, die Gewissheit, dass sie später, in ein paar Stunden vielleicht, eingerollt wie ein Tier in seinem Bett schlafen wird. Ihre warme, weiche Haut, die er gegen Morgengrauen berühren konnte.
    „Was iss jetzt, sei nich so, Mann! Ich bin dein bester Kunde“, quengelte der Freese.
    „Du bist nich mein bester Kunde, du bist der, der am schlechtesten zahlt.“
    „Spargel, echt! Ich bin in Not. Ich muss noch arbeiten und brauch den Fuffziger, wenigstens den Fuffziger.“
    Olaf griff umständlich in die Taschen seiner Hose, deren neues Leder sich noch etwas starr anfühlte, und holte endlich einen warmen, zerknitterten Schein hervor, hielt ihn aber mit zwei Fingern zurück.
    „Eine Bedingung.“
    „Ja, Gott, alles was du willst!“
    „Du bringst mir die Kohle morgen, haste gehört? Morgen! Und du bringst mir Comics mit.“
    Freese atmete erleichtert auf. Wenn´s nur das war. Es handelte sich um seine Comic-Sammlung, so ziemlich das Versauteste, was auf dem Markt war. Nicht dass ihn die Schweinereien in irgendeiner Weise erregten, es war lange her, dass er sich darauf einen runterholen musste. Es ging um den Seltenheitswert vieler Exemplare, die jedes Sammlerherz höher schlagen ließen. Darüber hinaus hatte er ein Faible für die Sprechblasen, sozusagen den literarischen Teil dieser Erzeugnisse. Über einen Satz wie „Ich! Ich will den dicken Negerschwanz lutschen!“, um nur ein Beispiel zu nennen, konnte er sich lange auslassen und Tränen lachen, das hatte er mit Olaf Keune gemeinsam.
    „Das sind zwar zwei Bedingungen, aber mach ich, kein Problem.“
    Schneller als es aussehen sollte, lief er die Treppe hinunter.
    „Wenne morgen nich auftauchst, ich schwör dir, das war das letzte Mal“, rief ihm der Spargel hinterher.
    Das hatte er schon oft gesagt. Aber er braucht mich noch. Eine Hand wäscht die andere, so sind hier die Gesetze. Grinsend stieß er die Tür zu einer großen Zukunft auf. Ihm fiel der Standardsatz vom Spargel ein: Iss doch schön, König zu sein.
     
     
    Vera tanzte lustlos und wartete das Ende des Liedes ab, um zur Bar zurückzukehren. Die Musik, auf die sie gehofft hatte, kam nicht, die Leute, die hier herumstanden, kannte sie nicht, niemand schien sich für sie zu interessieren. Dirk Freese war schon gegangen, wie ihr die blöde Ziege hinter der Theke süffisant mitteilte. Olaf kam auch nicht, er stand auch nicht mehr auf dem Platz, den er in den letzten Stunden nicht verlassen hatte. Sie setzte sich auf einen frei gewordenen Hocker und steckte sich eine Zigarette an, nur um irgendetwas zu tun und die Zeit zu überbrücken. Wobei sie sich fragte, wozu
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