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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition)
Autoren: Daniela Gerlach
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noch?“
    „Na klar rauch ich, was fürne Frage! Der Motte hat mich ja versorgt.“
    „Ach ja.“
    „Ich will das zwar nich, aber du weißt ja, wie der ist. Als ich ihm was dafür geben wollte, war er beleidigt. Erst lässt er einen über einen Monat bei sich pennen und will nich ma was für die Haushaltskasse und dann soll ich auch noch umsonst sein Dope rauchen. ‚Komm du ersma wieder auffe Beine‘, meinter, ‚dann redenwer weiter.‘ Das iss auch einer.“
    Er wusste auch nicht, warum er das jetzt erzählte, wahrscheinlich um keine offenen Fragen beantworten zu müssen, um diese Gedankenschwaden, die da zwischen ihnen hingen, zu verflüchtigen. Er lauerte auf jedes Anzeichen von Neugier bei Martina, bereit, sofort zu reagieren. Er konnte neugierige Menschen nicht ausstehen. Die so verständnisvoll tun und einen ausfragen, weil sie sich gern mit Problemen befassen, die andere haben. So lenken sie von den eigenen ab, von ihren kleinbürgerlichen, gehätschelten Sorgen, von den selbst beigebrachten Wunden, die sie so gerne lecken. Wie gut kannte das der Spargel, gerade 85 Jahre alt geworden.
    Martina fragte nichts und machte in ihrer Mini-Küche, in der gerade mal eine Person Platz hatte, panierte Schnitzel mit Kartoffelpüree und Gurkensalat. Er legte die Kassette, die er auf dem Walkman gehört hatte, in die Anlage und inhalierte den schweren, parfümierten Rauch ein. Zwischen all dem Neuen gab es doch ein paar Sachen, die er wiedererkannte. Die Anlage stand wieder zu weit an der Wand, der Manet-Druck hing zwar über einer neuen Anrichte, aber noch an derselben Stelle, der kleine Ecktisch, auf dem das Telefon stand, das Foto von Martina und ihrer Schwester vor einem Rhododendronstrauch, die kleinen, kitschigen Sachen, die er ihr im Laufe der Jahre mitgebracht hatte: eine chinesische Wundergirlande, eine essbare Kette mit passendem Armband, der kleine silberne Aschenbecher mit Deckel. Er stoppte die Kassette, diese Musik passte hier nicht. Im untersten Fach der Schrankwand standen sie in doppelter Reihe, seine Kassetten. Er nahm wahllos welche heraus. Bauhaus, Sisters of Mercy, die allererste Cure, Joy Division, so was hörte Martina sicher immer noch, zwei Bänder mit eigenen Aufnahmen, er und Volker, ob der noch lebte?, die Raritäten von Hippie-Horst, arabische Musik vom Bert. Er schluckte schwer. Schätze befanden sich hier, sein Leben in Musik, Lebensabschnitte, abgeschnittenes Leben. Ein paar Kassetten würde er mitnehmen, irgendwann, nach und nach.
     
    Olaf und Martina hatten es sich nach dem Essen auf dem Sofa bequem gemacht. Ihr Kopf lag auf seinem Arm. „Eigentlich war ich ziemlich sauer auf dich“, sagte sie.
    „Wieso das denn?“
    „Wenn ich nicht zufällig diese Silvia beim Karstadt getroffen hätte, hätt ich überhaupt nich gewusst, dass du wieder da bist. Wieso hast du mich nich angerufen? Du hättest doch vorläufig hier wohnen können.“
    Er wandte sein Gesicht ab, sah zum Fenster hin, hinter dem der Schimmer der Straßenlaternen die Dunkelheit diffus machte. Nicht mal Dunkelheit gab es, in der man sich noch verkriechen konnte. „Ach weißte, ich musste erst mal mit ein paar Sachen klarkommen.“
    Es war schmerzhaft. Er wusste jetzt, dass es dieses unterschwellige Gefühl, das ihn über Jahre begleitet hatte, dieses Gefühl, dass etwas bevorstand, weil es sie gab, die Frau, dass es nicht mehr da war. Es würde nicht wiederkommen. Wehmütig entließ er einen Teil von ihm in die Vergangenheit, erst jetzt war es wirklich passiert, war es real dieses ..., andere Leute nennen es einfach Trennung.
    Den Blick vom Motte, als er bei dem vor der Tür stand, den sah er jetzt noch vor sich. Wie er dann kopfschüttelnd meinte, er solle reinkommen, wie er dann ohne zu fragen in die Küche gegangen war und für jeden eine Flasche Bier holte. „Mann, Mann, Mann. Spargel, Spargel, Spargel.“ „Sach schon, ich bin ein Idiot.“ Da hatte er nur genickt, der Motte, und in seinem Blick hatte der ganze Vorwurf gelegen, schlimmer als Worte, viel schlimmer. Er fühlte sich wie ein Verräter. An was oder wem eigentlich? Es war auch schmerzhaft, jemanden nicht wirklich zu lieben, und dennoch war es gut, dass dieser Jemand da war. Er würde sich nicht mehr fragen, ob es richtig war, hier zu sein.
    „Sachma, woher weiß die Silvia eigentlich, dass ich wieder hier bin?“
    „Keine Ahnung. Ich glaub, die hat noch Kontakt zum Freese. Die telefonieren wohl manchmal.“
    Olaf war jetzt hellwach. „Der Freese?!
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