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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Legenden verbannen, wo er seit Tausenden von Jahren ein friedliches Leben geführt hat.«
    Sie musterte mich misstrauisch. »Warum?«
    »Lass deine Fantasie spielen. Versuch dir eine Welt vorzustellen, in der jeder Mensch, ja jedes Lebewesen mit einer Wunderdroge von seinen Leiden befreit werden könnte.«
    »Ein Traum.«
    »Ja, nur könnte er sich sehr schnell als Albtraum entpuppen, wenn man an die Konsequenzen denkt. Denk nur an die Probleme unserer Zeit, die Übervölkerung, die Kriege um territoriale Ansprüche und die Ausbeutung unseres Planeten. Einige wenige würden sich noch stärker auf Kosten der anderen bereichern. Wir würden mit einem Schlag das natürliche Gleichgewicht verändern. Ein Gleichgewicht, das durch unsere Einwirkung ohnehin schon aus den Fugen geraten ist. Die Folgen wären katastrophal.« Ich lehnte mich zurück. »Wenn ich je etwas von Stewart Maloney gelernt habe, dann die Erkenntnis, dass es fatal ist, das Gleichgewicht zu verändern. Wir Menschen haben dafür ein besonderes Talent, und bisher ist nicht viel Gutes dabei herausgekommen.«
    Eine schmale Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen. Sie brauchte eine Weile, um sich meine Worte durch den Kopf gehen zu lassen. Endlich schien sie sich zu einem Entschluss durchgerungen zu haben. »Von allen Geschichten, die ich heute Abend gehört habe, ist das diejenige, die am wenigsten verrückt klingt.« Dann strich sie sich über ihr Haar und nickte. »Einverstanden. Du kannst mit meiner Unterstützung rechnen.«
    »Wie? Was? Einfach so? Kein Widerspruch, keine Lästereien, kein Professor?«
    Sie blickte mich ernsthaft an, doch in ihren Augenwinkeln sah ich bereits wieder den Schalk blitzen. »Ich warne dich. Den Professor kannst du gern wieder haben, wenn du das willst.«
    Ich hob entwaffnend die Hände. »Okay, okay, ich sag nichts mehr. Lass uns Freunde bleiben. Das hat mir besser gefallen.«
    Elieshi zwinkerte mir zu. » Mir auch.« Sie drehte sich um, beugte sich über die Kiste, in denen die Spirituosen lagen und angelte zielsicher nach der besten Flasche Rotwein, die wir mitgenommen hatten. Einen Schatz aus dem Weinkeller von Lady Palmbridge, den wir wie einen Augapfel gehütet hatten und der ursprünglich als Belohnung für eine gelungene Jagd gedacht war. Sie hob die Flasche und blickte auf das Etikett. »Hm, Château Margaux 1986. Sagt dir das was?«
    »Nie gehört«, log ich tapfer, während ich mit Schaudern beobachtete, wie sie den Korken mit Schwung herauszog und sich die Flasche an den Mund setzte. »Aufs Gleichgewicht also.« Sie ließ sich einen großen Schluck in die Kehle rinnen, setzte ab und schmatzte genüsslich. »Nicht schlecht«, sagte sie, während sie sich den Mund am Ärmel abwischte und die Flasche an mich weiterreichte. »Margaux, ich glaube, den Namen muss ich mir merken.«
    »Tu das.« Ich nahm einen Schluck, schloss meine Augen und ließ den Geschmack eine Weile auf mich wirken. Dann lehnte ich mich entspannt zurück und reichte die Flasche an Egomo weiter. Die Welt schien auf einmal ein wenig runder und vollkommener geworden zu sein.

36
    Donnerstag, 18. Februar
     
    Am nächsten Morgen stand uns ein trauriger Abschied bevor. Egomo wollte uns verlassen. Er hatte sich während der Nacht von seinen Verletzungen erholt und wollte sofort aufbrechen, um in sein Dorf zurückzukehren. Alle meine Versuche, ihm mithilfe der Karte zu erklären, dass der Weg über die Nebenflüsse des Likouala deutlich kürzer war und er gut daran täte, uns zu begleiten, wurden mit einem Kopfschütteln quittiert. Er war nicht dazu zu bewegen, seinen Fuß in unser Boot zu setzen. Er hatte sich für den Landweg entschieden, und ob er nun einen Tag früher oder später zu Hause ankam, spielte keine Rolle. Seine Gedanken galten nur noch Kalema, der er gleich nach seiner Ankunft einen Heiratsantrag machen wollte. Wir erlaubten ihm, sich aus unseren Vorräten Brautgeschenke auszusuchen. Da wir ohnehin vorhatten, bis auf den Reiseproviant alles stehen und liegen zu lassen, war die Auswahl groß. Nach langem Hin und Her entschied er sich für ein bunt bedrucktes T-Shirt von Elieshi, die kleine Holzpfeife von Sixpence und Maloneys schweres Bowie-Messer. Obwohl er wusste, dass der Australier ein gewissenloser Mann gewesen war, hielt er ihn als Jäger offenbar immer noch hoch in Ehren.
    Ich schenkte ihm meinen alten abgewetzten Kompass, ein Erbstück meines Vaters, und erklärte ihm, dass die Nadel immer in die Richtung zeigte, in der meine
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