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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Art zu verstehen gegeben, dass sie mich nicht noch einmal allein fortziehen lassen würde. Wie konnte ich dieser wunderbaren Frau widersprechen?
    Als ich ihre Hand drückte, fühlte ich, dass ich zum ersten Mal seit langer Zeit glücklich war. »Stell dir vor«, sagte ich, »ich habe heute Nacht tatsächlich von Egomo geträumt. So, wie er es mir prophezeit hat. Ich habe die Wurzel unters Kopfkissen gelegt, und ich habe von ihm geträumt. Ist das nicht verrückt?«
    »Überhaupt nicht«, lächelte sie mich an. »Das ist Magie.«
    Während wir am Wasser standen und plauderten, sah ich Elieshi durch den Pinienwald schlendern und die ohnehin schon viel zu dicken Eichhörnchen füttern. Sie hatte darauf bestanden, Emilys Tagebuch persönlich abzuliefern. Zumindest das wären wir der Lady schuldig, sagte sie. Sie hatte sogar angeregt, der alten Dame entgegen unseren Vorsätzen von den tatsächlichen Ereignissen am Lac Télé zu berichten. Ein Vorschlag, den ich zwar riskant fand, in den ich aber nach längerer Bedenkzeit eingewilligt hatte. Blieb zu hoffen, dass der letzte Wille ihrer Tochter in der Lage war, die alte Dame von unserem Plan zu überzeugen.
    Drei Stunden hatten wir jetzt von ihr weder etwas gesehen noch gehört. Sie hatte sich ins oberste Stockwerk ihres Palastes zurückgezogen, wo sie das Tagebuch studierte. Selbst Aston durfte sich dabei nicht in ihrer Nähe aufhalten, eine Entscheidung, mit der er offensichtlich große Probleme hatte. Ich sah ihn, wie er unentschlossen vom Garten ins Haus und wieder zurück schlich, den Kopf sorgenvoll gebeugt. Er tat mir leid.
    »David.« Ich drehte mich um und sah, dass Elieshi mit schnellen Schritten auf uns zukam. Sie deutete zum Hauseingang. »Ich glaube sie kommt. Jetzt wird’s spannend.«
    Lady Palmbridge verließ das Haus und kam mit langsamen Schritten zu uns herüber. Aston war an ihrer Seite und stützte sie. Auf einmal kam sie mir vor, als wäre sie um hundert Jahre gealtert. Die Gewissheit, dass ihre Tochter gestorben war, hatte ihr schwer zugesetzt. Als sie bei uns eintraf, sah ich, dass sie geweint hatte. Sie blickte an uns vorbei und hinaus auf das Meer. »Ist es nicht herrlich hier? Diesen Platz hat Emily geliebt. Immer wenn sie Sorgen hatte oder einfach nur allein sein wollte, kam sie hierher, um den Wellen und den Möwen zu lauschen.« Sie hob ihr Gesicht und ergriff meine Hand. Ihre Finger waren eiskalt. »Ich danke Ihnen allen, dass Sie gekommen sind, um mir die Nachricht vom Tod meiner Tochter persönlich zu überbringen.« Sie blickte uns der Reihe nach an. Ich sah, dass nur ihre eiserne Disziplin sie davon abhielt, in Tränen auszubrechen. »Es bedeutet mir viel, dass Sie sie noch gesehen haben, auch wenn sie da schon nicht mehr am Leben war. Ich denke, dass sie dort, wo sie jetzt liegt, ein würdiges Grab gefunden hat.«
    Ich hob überrascht die Augenbrauen. »Dann haben Sie nicht vor, sie überführen zu lassen?«
    Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Je weniger Aufsehen wir erregen, desto besser. Außerdem glaube ich, dass sie zufrieden wäre, dort, wo sie jetzt liegt. Sie hatte schon immer ein Faible für Abenteuer. Sie wäre mit dieser Ruhestätte sicher einverstanden.« Lady Palmbridge hob den Kopf und sah Elieshi und mich eindringlich an. »Ich möchte mich an dieser Stelle in aller Form bei Ihnen entschuldigen. Ich war nicht offen zu Ihnen, was diese Expedition anging. Ich dachte, je weniger Sie über das Geheimnis des Sees wüssten, desto leichter würde es Ihnen fallen, dorthin zu reisen und mir meine Tochter zurückzubringen. Ein schwerer Irrtum. Sie haben so viel Schreckliches durchmachen müssen. Es ist für mich immer noch ein Wunder, wie Sie das überleben konnten. Ich weiß nicht, ob Sie mir verzeihen können, aber eines kann ich Ihnen versichern, David. Ronald wäre stolz auf Sie, könnte er Sie jetzt sehen.«
    Der Gedanke an meinen Vater stimmte mich traurig. »Eigentlich hätte er dieses Tier entdecken müssen, hat er doch einen Großteil seines Lebens der Suche nach dem Unbekannten gewidmet. Aber wenn ich daran denke, dass er seine Erkenntnisse niemals hätte veröffentlichen dürfen … ich glaube, das hätte ihm das Herz gebrochen.« Ich sah sie an und mein Zorn verrauchte. Der Tod ihrer Tochter war für sie Strafe genug. Ich holte tief Luft und stellte die wichtigste Frage: »Was gedenken Sie jetzt zu tun?«
    Die Andeutung eines Lächelns stahl sich auf ihr Gesicht. »Ich weiß, wie sehr Ihnen das auf der Seele
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