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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia
Autoren: Thomas Thiemeyer
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zu sagen, dass Pygmäen im Falle ihres unvermeidlichen Todes in eine Art Starre fallen können, aus der sie nach einiger Zeit wieder erwachen«, flüsterte Elieshi. »Atmung und Puls gehen dabei auf null. Ein angeborener Reflex, der ihnen das Überleben sichert. Er erwachte, als ihr schon draußen auf dem See wart. Er konnte mich zwar befreien, aber die Schussverletzung hat ihn viel Blut gekostet. Er ist sehr schwach. Ich weiß nicht, ob er die Nacht überstehen wird.«
    »Hol den Pfeil mit Mokéles Blut«, sagte ich, »und beeil dich!«
    Elieshi runzelte die Stirn, ging aber trotzdem und kam kurz darauf mit dem Pfeil wieder. » Was hast du vor?«, flüsterte sie, als sie sah, wie ich alle Kammern bis auf eine öffnete und ihnen die Ampullen entnahm.
    »Wart’s ab.« Ich entfernte den Verband von seiner Schulter, öffnete eine der Ampullen und ließ das Blut in die offene Wunde laufen. Die Hand des Pygmäen verkrampfte sich. »Vertrau mir, Egomo. Der Schmerz ist nur vorübergehend. Du wirst bald wieder gesund sein.«
    »Was tust du denn da?«, fragte Elieshi und blickte mich dabei an, als hätte ich den Verstand verloren.
    »Mir kam der Verdacht schon, als wir die Strukturanalyse von Mokéles Genen im Sequenzierer vorgenommen haben. Diese unglaubliche Vielfalt genetischer Informationen muss doch einen Zweck haben, das hast du selbst gesagt«, erläuterte ich, während ich die rote Flüssigkeit tropfenweise über Egomos Schulter rinnen ließ. »Sie bewirkt etwas im Körper des Sauriers. Etwas, das uns fremd ist. Eine Fähigkeit, die wir nicht besitzen.«
    Elieshi nickte. »Nur wissen wir leider nicht, was das ist.«
    »Falsch«, lächelte ich. »Ich habe gleich zwei Eigenschaften entdeckt. Die eine ist die Fähigkeit zur Gedankenübertragung …«
    » Telepathie?«
    »Genau. Die zweite bewirkt eine enorme Steigerung der Selbstheilungskräfte. Ich vermute, dass Mokéle über Gene verfügt, die dafür codiert sind, DNS und Zellen reparieren und das Zellwachstum kontrollieren zu können, sprich, zerstörtes Gewebe in Sekundenschnelle nachwachsen zu lassen. Es scheint sich dabei um intelligente Gene zu handeln, die seine gesamte DNS kontrollieren.«
    Elieshi schüttelte den Kopf. »Das ist doch absurd. Telepathie und Wunderheilungen gibt es nicht. Hat es nie und wird es nie.«
    Ich wendete ihr den Kopf zu, so dass unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. »Dann sieh mir in die Augen und sag mir, dass ich verrückt bin. Ich weiß, dass es sich unglaublich anhört, aber ich finde keine andere Erklärung. Alles, was ich weiß, ist, dass ich hier neben dir sitzen und dich ansehen kann. Und das habe ich nur Mokéle und seinen Fähigkeiten zu verdanken.«
    In diesem Augenblick erhob sich Egomo und reckte sich, als wäre er aus tiefer Trance erwacht. Seine Starre war verschwunden. Er wischte sich das Blut von der Schulter und starrte ungläubig dorthin, wo vor kurzem noch eine tiefe Schusswunde geschmerzt hatte. Die Öffnung hatte sich wie von Zauberhand geschlossen. Ich beugte mich vor, um seinen Rücken zu begutachten, doch auch dort war nichts von einer Schusswunde zu sehen.
    »Das gibt es doch nicht«, stammelte Elieshi, die den Pygmäen von oben bis unten abtastete. »Um das gebrochene Schlüsselbein hat sich ein neuer Callus gebildet. Der Bruch scheint vollständig verheilt zu sein.«
    Sie ließ sich zurücksinken, kaum fähig, ein Wort zu sagen. »Du hattest Recht«, murmelte sie nach einer Weile. »Es ist ein Wunder. Und was für eines.«
    Ich richtete mich auf. »Und deshalb müssen wir jetzt sehr vorsichtig sein.«
    »Wie meinst du das?«
    Ich überlegte, wie ich es ihr verständlich machen sollte. Für sie war es, als habe sich eben erst die Tür zum Paradies geöffnet, ich hingegen hatte schon einige Stunden Zeit gehabt, mir über unsere Situation klar zu werden. Und die Gedanken, die mir dabei gekommen waren, führten alle in eine Richtung. »Was ich dir jetzt sage, mag für dich verrückter klingen als alles andere«, sagte ich lächelnd. »Aber es könnte sich als wichtig erweisen. Für uns, für das Leben in diesem See, wenn nicht sogar für das gesamte Leben auf unserer Erde.«
    »Das klingt ja mächtig geheimnisvoll. Schieß los.«
    »Ich finde, dass nichts von dem, was hier geschehen ist, nach außen dringen sollte. Weder über Mokéle und seine Artgenossen noch über seine Fähigkeiten. Wir sollten absolutes Stillschweigen bewahren und den Kongosaurier wieder ins Reich der
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