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Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Titel: Renner & Kersting 03 - Mordsgier
Autoren: Angelika Schroeder
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die Lehrerin musste mehrfach versprechen, der Mutter nichts zu sagen, bis das Kind damit herausrückte, dass es zu Hause nicht mehr schön sei.
    Helga Renner kannte Veronikas Mutter recht gut. Wann immer in der Schule die Hilfe von Eltern gebraucht wurde, war Anne-Liese Merklin dabei. Schon zweimal hatten Lehrerin und Mutter der Polizei geholfen, einen Mordfall zu klären. Und Helga wusste auch, dass Anne-Liese, genannt Ali, seit einiger Zeit über ihre Ehe nachgrübelte. Dieses Band, das ihr viele Jahre Geborgenheit und Sicherheit geschenkt hatte, war spröde und rissig geworden. Und Veronika hatte offensichtlich einiges davon mitbekommen.
    »Warum ist es denn nicht mehr schön? Streiten deine Eltern?«
    »Nein, eigentlich nicht, nicht so richtig jedenfalls.«
    »Gibt es Schläge?«
    »Natürlich nicht. Mama würde uns doch nicht schlagen«, kam es entrüstet zurück.
    Veronika besaß eine ältere Schwester, Franziska. Sie besuchte die sechste Klasse des Christine-Koch-Gymnasiums.
    »Ich weiß nicht so genau was los ist. Es ist ... es ist einfach anders als früher.«
    Trotz aller Anstrengung gelang es Helga nicht, herauszufinden, was denn nun anders war, aber sie wusste, wie empfänglich Kinder für atmosphärische Störungen sind. Sie spüren sehr schnell, wenn es Spannungen in der Familie gibt. Helga überlegte, wie sie am besten mit der Mutter reden konnte, ohne ihr – dem Mädchen gegebenes – Versprechen zu brechen. Wann hatte sie Ali eigentlich das letzte Mal getroffen? Das schien Ewigkeiten her zu sein. Da sie die Arbeiten ihrer Tochter regelmäßig unterschrieb, war sie über deren Leistungsabfall informiert, und Helga hatte keinen Grund gesehen, zusätzlich anzurufen. Doch inzwischen gab es nicht nur schlechte Zensuren zu beklagen, sondern auch auffälliges Verhalten. Früher hatte Veronika zu den ruhigen, intelligenten Kindern gehört, die im Unterricht kaum störten, selten in Streitereien verwickelt waren und durch ihre fröhliche Art zur Auflockerung des Vormittags beitrugen. Die Veränderung musste kurz nach den Herbstferien eingesetzt haben, zunächst unmerklich, später dann deutlicher. Sie stritt immer häufiger mit anderen Kindern, störte während des Unterrichts, verunzierte ihre Hefte mit Strichmännchen und erschien eines Tages sogar mit einem Stapel Yu-Gi-Oh-Karten. Im vorweihnachtlichen Stress war der Lehrerin das gar nicht bewusst geworden, doch als sie jetzt darüber nachdachte, erkannte sie, dass dies Veronikas Art sein musste, um Aufmerksamkeit und Hilfe zu bitten. Was, zum Teufel, war da bloß los? Die Lehrerin beschloss, heute Abend, wenn die Kleine im Bett lag, bei Ali anzurufen und einmal nachzufragen.
    »Sie sagen aber Mama nichts?«, wiederholte Veronika, als habe sie Helgas Gedanken gelesen.
    »Nein, aber ich muss mit ihr über deine Zensuren sprechen, das verstehst du doch?«
    Ergeben nickte das Mädchen, froh, endlich gehen zu dürfen.
    Mit ihren Gedanken noch immer bei Veronika und ihrer Mutter suchte Helga ihre Utensilien zusammen. Vor etwa drei Monaten hatte Ali ihr anvertraut, dass sie ihren Mann nicht mehr liebe. Einfach so. Von einer Sekunde zur anderen schien jede Zuneigung verschwunden, und sie fühlte sich, als säße sie neben einem Fremden. Damals hatte Helga gehofft, dass beide Ehepartner vernünftig genug sein würden, die Angelegenheit zu regeln, ohne die Kinder allzu sehr zu belasten. Offensichtlich war das nicht gelungen. Irgendwann im Dezember hatte Helga Ali angerufen, um mal wieder ein bisschen zu plaudern, doch die gab an, keine Zeit zu haben. Bei den vielfältigen Aktivitäten, denen Ali nachging, klang das glaubhaft, und die Lehrerin hatte nicht weiter nachgefragt, steckte sie doch selbst im Festtagstrubel. Doch jetzt, im Nachhinein, kam ihr Alis hektische Art ungewöhnlich vor. Denn obwohl diese in ihrer Gemeinde engagiert war, in Gymnasium und Grundschule half, wenn Eltern gebraucht wurden und allen möglichen Leuten beistand, war sie doch stets stolz darauf gewesen, dass ihre Kinder nicht zu kurz kamen. Ihre derzeitige Gleichgültigkeit erschien Helga untypisch, und allmählich wurde sie neugierig, was bei Merklins eigentlich los war. Heute Abend wollte sie sich nicht abspeisen lassen. Heute Abend musste die Freundin mit der Wahrheit herausrücken.
     

2
    An diesem Tag kam Herbert Merklin spät heim. Als er die Haustür aufschloss, empfing ihn eine dunkle Wohnung. Natürlich, die Kinder lagen im Bett, aber wo steckte seine Frau? Er hatte länger
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