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Die Frau meines Lebens

Die Frau meines Lebens

Titel: Die Frau meines Lebens
Autoren: Nicolas Barreau
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1
    Heute
bin ich der Frau meines Lebens begegnet.
    Sie saß in
meinem Lieblingscafé, ganz hinten an einem der Holztische vor der verspiegelten
Wand und lächelte mir zu. Leider war sie nicht allein. Ein – ich muß es zugeben – verdammt gutaussehender Typ saß bei ihr und hielt ihre Hand.
    Ich sah sie
also nur an, rührte in meinem Café Crème und flehte die himmlischen Mächte an,
daß etwas passieren sollte.
    Ich bin
Buchhändler, wissen Sie, und wenn man tagtäglich mit Büchern zu tun hat, wenn
man so viele Romane gelesen hat wie ich, kommt man irgendwann zu dem Schluß,
daß sehr viel mehr, möglich ist, als gemeinhin angenommen wird. Mag sein, daß
für manche die Literatur die angenehmste Art ist, das Leben zu ignorieren, wie
Fernando Pessoa einmal geschrieben hat. Aber im Grunde will man das Leben doch
nur dann ignorieren, wenn es so geworden ist, wie man es nicht haben wollte.
    Ich finde,
Literatur muß die Welt nicht zwangsläufig draußen vor der Tür lassen – im
Gegenteil! Oft genug holt sie die Welt auch zu uns herein.
    Vielleicht
bin ich ein hoffnungsloser Romantiker, aber warum sollte das, was sich jemand
für ein Buch ausgedacht hat, nicht auch im wahren Leben vorkommen können?
Literatur kann ein wunderbarer Weg in die Wirklichkeit sein, weil sie uns die
Augen öffnet für alles, was passieren kann. Was jeden Tag passieren kann!
    Nehmen Sie
nur den heutigen Tag. Erst war es ein ganz normaler Donnerstag im April. Jetzt
ist es der wichtigste Donnerstag meines Lebens. Ich befinde mich im
Ausnahmezustand. Bin schon mitten drin in einer Geschichte. In einem Roman,
wenn Sie so wollen, von dem ich das Ende noch nicht weiß, weil ich dummerweise
nicht der Autor bin.
    Der Tag
fing damit an, daß ich den Wecker überhörte, also nicht gerade spektakulär. Als
ich unter der Dusche stand, klingelte das Handy – mein Freund Nathan, der
wissen wollte, ob ich am Abend mit ihm ins Bilboquet gehe, seine erklärte
Lieblingsjazzbar, in der schon Ella Fitzgerald gesungen hat. Aus meinen Haaren
tropfte das Wasser, und ich sagte, klar, warum nicht, laß uns später noch mal
telefonieren. Nathan ist einer der unkompliziertesten Menschen, die ich kenne ; die Mädchen
umlagern ihn in Scharen, und die Abende mit ihm sind immer lustig.
    Ich trank
einen Espresso im Stehen, überflog die Zeitung, und dann machte ich mich auf
den Weg in die Buchhandlung. Es hatte geregnet, und die kleinen Straßen sahen
aus wie frisch gewaschen. Vormittags war nicht viel los, und ich habe mit Julie
das Schaufenster neu dekoriert.
    Julie ist
meine Compañera in der Librairie du Soleil und die Königin der Ratgeber auf
zwei (außerordentlich hübschen) Beinen.
    Sie haben
ein Problem mit Ihrer Schwiegermutter? Sie wollen endlich Ordnung in Ihr Leben
bringen? Ihre Freundin ist mit Ihrem besten Freund abgehauen und Sie stehen
kurz vor dem Selbstmord?
    Verzweifeln
Sie nicht! Kommen Sie einfach in unsere kleine Buchhandlung in der Rue
Bonaparte, und fragen Sie nach Julie. Sie wird Ihnen mit leichter Hand für
jedes Problem den entsprechenden Ratgeber heraussuchen.
    Und das ist
genau der Grund, warum ich mich nie in Julie verlieben könnte, obwohl sie mit
ihren aufgesteckten schwarzen Haaren und dem charmanten Lächeln an die junge
Audrey Hepburn erinnert.
    Eine Frau,
die für jedes Problem eine Lösung hat, macht mir irgendwie Angst. Im Gegensatz
zu mir hat Julie ihr Leben bestens im Griff. Sie ruht in sich selbst. Sie hat
immer einen Plan. Und einen Mann hat sie natürlich auch.
    Bleibt
Antoine, also ich, zweiunddreißig, Inhaber einer halben Buchhandlung und ohne
Plan. Ein Mann, der schöne Bücher ebenso zu schätzen weiß wie schöne Dessous
und der seinen Kunden nur die Romane ans Herz legt, die ihm selbst gefallen.
    Eigentlich
hätte ich die Mittagspause dringend nutzen sollen, um Hemden in die Reinigung
zu bringen und Besorgungen zu machen – der Kühlschrank war heute morgen bis auf
ein Stück Chèvre und drei Tomaten selbst für einen Junggesellen ziemlich leer.
Doch dann schien nach einem kurzen Aprilschauer wieder die Sonne, die Tropfen
an der Scheibe glitzerten in allen Farben, Julie sagte: »Mist, jetzt kann ich
das Fenster schon wieder putzen«, und ich hatte plötzlich keine Lust mehr auf
Erledigungen.
    »Ich geh
auf einen Kaffee ins Flore«, sagte ich zu Julie, die auf Strümpfen in der
Auslage stand und das Plakat für eine Lesung aufhängte. Julie verzog ihren
hübschen Mund. Sie mag das Café de Flore nicht besonders. Wie
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