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Die Frau meines Lebens

Die Frau meines Lebens

Titel: Die Frau meines Lebens
Autoren: Nicolas Barreau
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Finger
geküßt.
    Als ob sie
meine Gedanken gelesen hätte, stützte sie die Arme auf, leckte einige
Zuckerkörnchen von ihrem Zeigefinger und sah wieder zu mir herüber. Eine Kette
mit zierlichen Kugeln aus Gold und Glas baumelte über dem Ausschnitt ihres
enganliegenden schwarzen Kleides und lenkte meinen Blick auf den Ansatz zweier
kleiner runder Brüste, die sich unter dem Stoff abzeichneten. Ein paar winzige
Sommersprossen waren auf die seidige Haut getupft, und ich konnte nicht anders,
als mir vorzustellen, wie wunderbar es sein müßte, ihr den Büstenhalter
aufzuhaken und diese weichen weißen Täubchen in meinen Händen zu halten. Ich
schluckte, sah wieder hoch und fühlte mich ertappt. Ihre Augen glänzten
belustigt, als sich unsere Blicke erneut trafen. Dann verzog sich ihr roter
Mund zu einem breiten Lächeln.
    Ich
lächelte auch und versuchte dabei so sympathisch, intelligent und konspirativ
auszusehen wie möglich.
    Julie sagt
immer, wenn ich mir Mühe gebe, sehe ich ein bißchen aus wie Brad Pitt. Das
machte mir Mut. Wirklich, ich bin eigentlich ganz ansehnlich, eher der
jungenhafte Typ, aber viele Frauen mögen so was. Ich setzte mich auf und holte
tief Luft.
    Sie sah
mich über den Raum hinweg erwartungsvoll an.
    Nun sag was, Idiot , befahl ich mir streng. Geh zu ihr hin und sprich sie an! Mein Mund war plötzlich ganz
trocken. Ich nahm einen viel zu großen Schluck von meinem Kaffee und verbrühte
mir die Zunge. Leise fluchend setzte ich die Tasse ab. Das Porzellan schepperte
wie ein Symphonieorchester, das Stockhausen spielt, und der Kaffee schwappte
über. Auch das noch! Was für eine erbärmliche Vorstellung!
    Sie schlug
sich die Hand vor den Mund. Sie lachte.
    Während ich
mit der Serviette die kleine Pfütze auf meinem Tisch beseitigte, grinste ich
entschuldigend. Am liebsten hätte ich ihr erklärt, daß ich nicht immer so
ungeschickt und schafsköpfig war. Diese Frau machte mich nervös wie keine
andere, das war klar, Immerhin schien sie nicht abgeneigt. Sie wickelte
spielerisch eine Strähne ihres honigblonden Haars um den Zeigefinger und
vertrieb sich die Zeit.
    Mein Gott,
was hätte ich jetzt für eine Zigarette gegeben! Unwillkürlich tastete ich nach
meiner Schachtel. Dann fiel mir dieses verdammte Rauchverbot wieder ein. Völlig
widernatürlich! Ich meine – Kaffee und Zigaretten – das sind die zwei Dinge,
die einfach zusammengehören in der westlichen Welt. Dieses Gesetz wird unser
Lebensgefühl, ja unsere ganze Kultur verändern. Und hat beispielsweise irgend
jemand von den Verantwortlichen da oben schon mal darüber nachgedacht, was es
für einen hochgradig verliebten Mann bedeutet, in einem Café nicht rauchen zu
dürfen? Geradezu unmenschlich ist das!
    Hör auf zu philosophieren, Feigling! Frag endlich, ob
du sie zu einem Kaffee einladen darfst , mahnte meine innere Stimme.
    »Würden-Sie-einen-Kaffee-mit-mir-trinken-Würden-Sie-einen-Kaffee-mit-mir-trinken?«
Der Satz fuhr Karussell in meinem Kopf, bis mir ganz schwindelig wurde davon.
Und dann, einen Moment, bevor die verdammten Worte endlich ihren Absprung in
die Wirklichkeit schafften, erhob sich die Frau meines Lebens kurz von ihrem
Sitz und winkte erfreut.
    Tragischerweise
galt ihr Winken nicht mir. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie ein großer,
dunkelhaariger Mann zielstrebig auf den Tisch zusteuerte, an dem meine Schöne
saß. Er sah aus wie Professor Severus Snape, wenn der seinen guten Tag hat.
    » Ça va, ma belle? « Er umarmte sie, bevor
er sich ihr gegenüber setzte und seine braune Lederjacke lässig über einen
Stuhl warf.
    Ma belle? Ungehalten starrte ich den Eindringling an, der von
den bösen Blicken, die sich in seinen Rücken bohrten, leider nichts mitbekam.
    Ich hätte
dem Kerl am liebsten den Hals umgedreht. Hier einfach so reinzuplatzen! In
meinen großen Moment. Zu meinem Unglück mußte ich feststellen, daß die Frau
meines Lebens das offenbar anders sah. Sie redete und lachte, und ich war schon
vergessen. So sind die Frauen!
    Jetzt nahm
Snape kurz ihre Hand. Sie sah ihm in die Augen, sehr zärtlich, wie ich fand,
und ich hatte plötzlich eine Vorstellung davon, wie es sein mußte, in der Hölle
zu schmoren.
    Das konnte
nicht sein! Das durfte nicht sein! War dieser Typ am Ende etwa ihr Mann? Mit fieberhaftem Blick suchte
ich die Hände der beiden ab und seufzte erleichtert. Immerhin, es gab keine
Eheringe! Das mußte nichts bedeuten, aber es war auf jeden Fall besser, als
wenn es anders gewesen wäre.
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