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Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Titel: Renner & Kersting 03 - Mordsgier
Autoren: Angelika Schroeder
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gearbeitet, um einige Messreihen zu beenden. Unbewusst krauste er die Stirn. Bisher hatten sie ihre Termine gemeinsam abgestimmt, damit die Kinder nicht lange allein blieben. Nach einem kritischen Blick zur Uhr, es ging auf 22.30 Uhr zu, schaute er in jedes Zimmer. Veronika war nicht da, was ihn einigermaßen beunruhigte, da sie während der Woche nicht bei Freundinnen übernachten sollte. Franziska schlief offenbar tief und fest. Die Küche war sauber aufgeräumt, aber es stand kein Abendessen bereit. Nun ja, beim derzeitigen Zustand ihrer Ehe durfte er soviel Entgegenkommen wohl nicht mehr erwarten.
    Viele Jahre in der Entwicklungsabteilung seiner Firma hatten ihn gelehrt, dass auch scheinbare Nebensächlichkeiten plötzlich eine Eigendynamik entwickeln und sämtliche Pläne und Theorien über den Haufen werfen konnten. Genau das schien im Moment auch in seiner Ehe der Fall zu sein. Er glaubte zu wissen, welcher Nebensächlichkeit er den katastrophalen Zustand ihrer Beziehung zu verdanken hatte. Für ihn war es eine Kleinigkeit, aber seine Frau musste aus jeder Mücke gleich einen Elefanten machen. Da sie diese Eigenschaft, Belanglosigkeiten zu wichtig zu nehmen, bisher nur gegenüber ihren vielen Bekannten gezeigt hatte, hatte ihn der Charakterzug nicht wirklich gestört. Jetzt betraf es ihn selbst. Jetzt verwandelte sie seine Mücke in ihren Elefanten. Wieder schüttelte er den Kopf. Seine gedanklichen Gebilde sollte er wohl besser nicht laut äußern. Bisher hatten beide sich bemüht, den Kindern gute Eltern zu sein und den miserablen Zustand ihrer Beziehung zu verheimlichen. Natürlich gab es Spannungen, aber dass Ali nicht einmal eine Notiz hinterlassen hatte, wo sie im Notfall zu erreichen war und wann sie wieder zu kommen gedachte, ärgerte ihn, ebenso, dass Veronika ohne seine Zustimmung anscheinend bei einer Freundin übernachtete.
    Er verspürte Hunger. Auch wenn es schon spät und der Kühlschrank vermutlich leer war, gab es keinen Grund, sich nicht satt zu essen. Den ganzen Nachmittag hatte er im Labor mit Messungen und Werkstoffprüfungen zugebracht. Ein Kunde wollte wissen, ob die Geräte aus dem fernen Asien den deutschen Normen entsprachen. Und das möglichst gestern. Außer ein paar Krakauern aus der Kantine hatte er den ganzen Tag noch nichts gegessen und entschied, eine Mahlzeit verdient zu haben, insbesondere nachdem der Auftrag erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Voller Hoffnung öffnete er die Kühlschranktür, doch die Auswahl war gering. Das Einkaufen hatte Ali offensichtlich auch vergessen.
    Froh, doch noch etwas gefunden zu haben, streckte er die langen Beine unter dem Küchentisch aus und betrachtete seinen Teller: Ein Stück Käse mit Himbeermarmelade, kalte Brühwürstchen, Gurken und Brotreste von gestern, dazu eine Flasche Bier.
    Er grübelte über das Gespräch mit Franziskas Lehrerin nach. Sie hatte ihn heute Mittag auf seinem Handy angerufen, was nur im äußersten Notfall geschehen sollte. Als ihm klar wurde, wer da sprach, sah er Franziska schon mit den schlimmsten Verletzungen im Krankenhaus. Nach umständlichen Entschuldigungen für ihren Anruf erklärte sie jedoch, dass Franziskas Leistungen in der Schule in letzter Zeit zu wünschen übrig ließen und beklagte sich, dass ihre Mutter nie zu erreichen war. Merklin hatte zugesagt, seine Frau zu informieren und mit seiner Tochter zu reden und dann das Problem in eine besondere Lade seines Gehirns verbannt – bis er sich in Ruhe würde damit befassen können. Nun war es soweit. Er wusste, dass Franziska vielen Interessen nachging und die Schule derzeit an letzter Stelle rangierte. Für eine pubertierende Zwölfjährige ein völlig normales Verhalten, wie er meinte, trotzdem durfte es nicht stillschweigend übergangen werden.
    Während er über seine Frau, ihre quecksilbrige Persönlichkeit und die Schwierigkeiten ihrer Ehe nachdachte, hörte er leise Schritte auf der Treppe.
    »Papa, ich muss mit dir reden.« Im Schlafanzug, mit verstrubbelten Haaren und geröteten, müden Augen stand Franziska in der Tür. Sie gähnte, die Hände hinter dem Rücken. Dies, fand Herbert, war nicht der passende Moment, sie auf gutes Benehmen hinzuweisen. Also wartete er ab, während sie seinen halb gefüllten Teller betrachtete. »Igitt – Käse mit Marmelade, ist ja abartig.«
    Ihr Vater grinste. Er kannte die Verzögerungstaktiken seiner Tochter nur zu gut. Offensichtlich wollte sie ihre schlechten Zensuren beichten und empfand nun Angst
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