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Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Titel: Renner & Kersting 03 - Mordsgier
Autoren: Angelika Schroeder
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    Der Mörder wartete gegenüber dem Christine-Koch-Gymnasium, eines dieser hässlichen, grauen Gebäude, die nach dem Krieg aus dem Boden gestampft worden waren. Kahle Büsche und Bäume vor dem Eingang vermittelten fälschlicherweise den Eindruck einer ländlichen Umgebung. Der Schulhof wurde jedoch von weiteren grauen Gebäuden begrenzt, und immer wieder versperrten ihm Lieferwagen, die umständlich rangierten oder den nahe liegenden Geschäften Ware brachten, die Sicht. Kurz streifte ihn der Gedanke, ob es nicht besser wäre, die Straße zu überqueren und sich direkt vor den Eingang zu platzieren. Falls der Hausmeister oder ein Lehrer misstrauisch fragen sollte, was er hier zu suchen habe, könnte er ja angeben, auf seinen Sohn zu warten. Wer weiß, vielleicht besaß er tatsächlich ein Kind, von dem er nichts wusste. Bei dieser Vorstellung verzogen seine Mundwinkel sich zu einem amüsierten Grinsen. Kinder waren das Letzte, was er derzeit brauchte. Die kosteten Freizeit, Nerven und vor allem Geld. Frauen auch, aber mit denen konnte er sich vergnügen, und oft füllte der Umgang mit ihnen sogar seine Geldbörse. Bei dem Thema Kinder musste er immer an Yvonne denken, die rothaarige Sauerländerin, die so temperamentvoll war, wie ihre Haare es versprachen und so bodenständig, wie ihre Herkunft es erahnen ließ. Sie war vermutlich die Einzige, die als mögliche Mutter in Frage kam. Viel zu oft hatte sie Diskussionen über Ehe und Kinder angeleiert und ihm immer wieder die Annehmlichkeiten einer Familie in allen Variationen geschildert, bis er es nicht mehr hören konnte und sich von ihr trennte. Das war nun auch schon wieder fünf Jahre her. Da er seinen Freundinnen gleich zu Beginn ihrer Beziehung sehr deutlich sagte, dass er auf keinen Fall mit einem Kind belästigt werden wollte, war es ihre Sache, entsprechend aufzupassen – fand er. Er konnte schließlich nichts dazu, dass er ein Womanizer war, ein charmanter, gut aussehender Typ, dem die Frauen hinterher liefen.
    Das misstönende Schrillen der Schulglocke unterbrach seine Gedanken. Die Türen öffneten sich und spieen Massen von Schülern aus, die sich über den Pausenhof verteilten. Verdammt, nun hieß es, aufpassen. Wenn jetzt nichts geschah, brauchte er einen neuen Plan. Dabei hatte die ganze Geschichte so wunderbar begonnen als stünde das Schicksal selbst auf seiner Seite. Dazu die beiläufigen Bemerkungen des Opfers, das überhaupt nicht ahnte, auf welchem Pulverfass es saß. Dummerweise konnte er keinen Probedurchlauf machen. Weder wusste er, ob die Menge ausreichte, noch kannte er den Grad der Verfärbung. Natürlich hatte er sich bemüht, alle Risikofaktoren auszuschalten. Den Starter der Leuchtstoffröhre gegen einen kaputten auszutauschen, war eine Sache von wenigen Sekunden gewesen, und das Opfer hatte durch seine Vorliebe für nützliche Souvenirs ein Übriges getan. Wenn der Kerl aber doch plötzlich misstrauisch geworden war? Was dann? Ungeduldig blickte er zum wiederholten Male auf die Uhr, dann die Straße entlang. Nichts zu sehen. Nichts zu hören. Die Schulglocke beendete die Pause. Und nun? Während er unhörbar fluchte, nahm in seinem Kopf bereits ein neuer Plan Gestalt an. Endlich! Da kam es, das heißersehnte zuckende Blaulicht eines Krankenwagens. Die Fahrbahn vor der Schule schien plötzlich wie leer gefegt. Bremsen quietschten. Türen wurden aufgerissen. Ein Hausmeister im grauen Kittel brüllte und wedelte mit beiden Armen. Passanten blieben stehen und starrten neugierig hinter den Sanitätern her, die im Laufschritt ins Schulgebäude eilten. Dann hörte man nichts mehr. Einige setzten ihren Weg fort, die meisten blieben und warteten. Vermutungen wurden geäußert, verworfen oder als Wahrscheinlichkeit aufgegriffen und weiter gegeben. Unauffällig mischte er sich unter die Neugierigen.
    »Wahrscheinlich hat sich wieder mal ein Schüler verletzt, so wie die toben, ist das kein Wunder.«
    »Erinnern Sie sich, wie letztes Jahr die Feuerwehr anrückte, weil jemand unter dem Tisch gezündelt hatte? Diese Jugend heutzutage!«
    »Ach was! Die Lehrer passen einfach nicht genug auf. Haben nur ihren freien Nachmittag im Kopf.«
    Er amüsierte sich und genoss die Überlegenheit, die ihm das geheime Wissen gab. Fast fühlte er sich versucht, ihnen zu sagen, wen es getroffen hatte, doch nur fast. Schließlich besaß er einen gesunden Selbsterhaltungstrieb. Der hatte ihn auch am frühen Morgen hergeführt. Niemand hatte ihn gesehen, niemand
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