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Renate Hoffmann

Renate Hoffmann

Titel: Renate Hoffmann
Autoren: Anne Freytag
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Intonation ließen Frau Hoffmann unfreiwillig schmunzeln, auch wenn sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, weil sie nicht unhöflich sein wollte. Schließlich war er ihr Gast. „Gefällt Ihnen die Tatsache, dass ich nackt bin?“ Seine Stimme war plötzlich nicht mehr nasal, sie war dumpf und warm. Sie bebte in ihrem Körper. Diese direkte Frage erschreckte Frau Hoffmann. Sie empfand sie als ungehobelt und deplatziert. Obwohl sie versuchte, es nicht zu tun, wanderten ihre Augen über Herrn Peters nackten Körper. Sie glitten wie Hände über dessen Haut. „Antworten Sie mir“, sagte Peters fordernd. Seine Stimme machte Frau Hoffmann nervös.
    „Ich finde es ungewöhnlich“, antwortete sie ausweichend.
    „Ich habe Sie nicht gefragt, ob Sie es ungewöhnlich finden“, sagte Peters und drehte die Augen gen Decke. „Ich habe Sie gefragt, ob Ihnen die Tatsache gefällt, dass ich nackt bin.“ Erneut streichelte ihr Blick seine Haut.
    Schwer atmend lag Frau Hoffmann auf der kühlen Platte ihres Esstisches. Ihre Beine ragten steil nach oben, ihre Waden schaukelten, die orangen Socken baumelten an ihren Füßen. Die Lust, die sie empfand, entwich ihren leicht geöffneten Lippen als zaghaftes Hauchen. Ihre Muskeln zuckten, ihre Brüste pressten sich gegen seinen Oberkörper. Seit Jahren hatte sie sich nicht mehr so gut gefühlt. Herr Peters begehrte sie. Er verwöhnte sie auf eine Art, an die sie sich nur noch dunkel erinnerte. Der Gedanke, wie er sich in ihr bewegte, schien einen Hebel in Frau Hoffmanns Gehirn umzulegen. Aus dem leisen, zaghaften Hauchen wurde hurenhaftes Stöhnen. Ihre Hände glitten über seinen Rücken, hielten sich an ihm fest, zogen ihn noch näher an ihren schwitzenden Körper. Seine Bewegungen wurden fester, vielleicht sogar ein wenig grob, doch es war ihr nicht unangenehm. Es war, als würde jeder Stoß noch tiefer in sie dringen, so als würde er Stellen in ihrem inneren erreichen, die vor ihm nur einer erreicht hatte.
    Und dann kam der Moment, den Frau Hoffmann insgeheim seit Jahren ersehnte. In ihrem Kopf gab es keinen Raum mehr für Gedanken. Es gab keinen Raum mehr für Vernunft oder Kontrolle. Plötzlich war sie frei, frei von allen Zweifeln, doch vor allem frei von Angst. In diesem wunderbaren freien Augenblick erstarrte sie unter der Last seines Körpers. Ihre Füße verkrampften sich, ihr Mund war zu einem stummen Schrei geformt. Es fühlte sich so an, als würden unzählige kleiner Explosionen durch ihre Zellen wandern und auf benachbarte Zellen überspringen. Wärme schoss durch ihren Körper. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf die saugenden Bewegungen ihres Unterleibs. Der stumme Schrei wich einem ermatteten Lächeln.
    Schwitzend und mit schmerzendem Nacken wachte Frau Hoffmann auf. Das Fernglas lag auf ihrem Schoß. Sie saß noch immer eingewickelt in ihre Decke auf dem Stuhl am Fenster. Die Lichter der gegenüberliegenden Wohnungen waren längst erloschen. Herr Peters lag friedlich schlafend in seinem Bett. Sie wischte sich über ihr Kinn, als ihr Blick auf ihren rechten Ärmel und die zwei großen nassen Flecke fiel. In ihrem ganzen Leben hatte Frau Hoffmann noch nie im Schlaf gesabbert. Irritiert und leicht angewidert schrubbte sie mit dem anderen Ärmel über die nassen Flecke.
    Frau Hoffmann stand im Bad. Auf ihrer Stirn schimmerte der Schweiß. Das Thermometer piepte drei Mal. 37,3°. Frau Hoffmann schaute ungläubig auf das Display, dann klemmte sie es erneut unter die Zunge. Als die zweite und die dritte Messung dasselbe Ergebnis anzeigten, sagte sie sich, dass das Thermometer defekt sein müsse, hielt die silbern schimmernde Spitze unter den Wasserstrahl und ging zu Bett.
    Frau Hoffmann schaltete das Licht aus und drehte sich zur Seite. In den letzten Sekunden, bevor sie einschlief, dachte sie noch einmal an den Traum, den sie eben gehabt hatte, sie betrachtete die Bilder, die wie ein Film vor ihrem inneren Auge abliefen. Dann driftete ihr Bewusstsein immer weiter weg, bis es schließlich völlig verschwand.
     
Kapitel 13  
    Am kommenden Morgen wachte Frau Hoffmann ungewohnt beschwingt auf. Vereinzelte Sonnenstrahlen tauchten ihr karg eingerichtetes Schlafzimmer in sanftes Licht. Erst als sie sich auf die linke Seite drehen wollte, um noch einige Minuten zu dösen und dem Nichtstun zu frönen, was sie für gewöhnlich nie tat, bemerkte sie, dass sich ihre rechte Hand tief in ihrem Schritt vergraben hatte. Diese Tatsache verstörte Frau Hoffmann in
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