Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Renate Hoffmann

Renate Hoffmann

Titel: Renate Hoffmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
Vom Netzwerk:
sich Frau Hoffmann an ihren Schreibtisch. Sie war sich sicher, dass Herr Hofer nie wieder nach ihr sehen würde. Und dieser Gedanke stimmte sie missmutig, wenn nicht vielleicht sogar ein klein wenig traurig.
     
Kapitel 15  
    Frau Hoffmann ging in Gedanken versunken durch den Flur. Die Energiesparlampe war endlich ausgewechselt worden. Die ocker-senf-farbene Wand bemerkte sie nicht. Sie streckte den Schlüssel ins Schloss, zog die Tür fest an sich heran und schob sie auf.
    Da Frau Hoffmann ein misstrauischer und argwöhnischer Mensch war, fragte sie sich, warum Herr Hofer sie wirklich aufgesucht hatte. Es konnte doch unmöglich daran liegen, dass er lediglich nach ihr hatte sehen wollen. Niemand sah nach Frau Hoffmann. Und jetzt, wo es endlich einmal jemand getan hatte, hinterfragte sie dessen Absichten. Sie war sich sicher, dass er sie in Wahrheit nur hatte kontrollieren wollen. Das musste es sein. Er hatte bestimmt herausfinden wollen, ob Frau Hoffmann tatsächlich krank gewesen war, oder ob sie ihr schlechtes Befinden schlichtweg simuliert hatte. Und als er in ihr gesund gefärbtes Gesicht geblickt hatte, war es für ihn natürlich völlig klar gewesen. In diesem Augenblick ärgerte Frau Hoffmann sich über sich selbst, und sie verfluchte das rosafarbene Rouge.
    Frau Hoffmann dachte den gesamten restlichen Abend an Herrn Hofer. Sie dachte an ihn, als sie mit einer Gabel mehrfach in die Folie ihres Mikrowellengerichts einstach – an diesem Abend gab es Hühnchen mit Bohnen – sie dachte an ihn, als sie den Fernseher einschaltete, sie dachte an ihn, als sie das benutzte Geschirr in die Geschirrspülmaschine einräumte, und sie dachte an ihn als sie im Bad stand und ihre Zähne putzte. Und die ganze Zeit fragte sie sich, ob er tatsächlich nur nach ihr hatte sehen wollen. Und jedes Mal, wenn sie sich gerade davon überzeugt hatte, dass er bestimmt nicht grundlos vorbei gekommen war, hoffte sie, dass sie sich täuschte. Und jedes Mal, wenn sie hoffte, sich zu täuschen, fragte sie sich, warum sie dieser kurze Besuch überhaupt derart beschäftigte.
    Frau Hoffmann wickelte sich in ihre Bettdecke. Sie schaute auf die Uhr. Und in diesem Augenblick fragte sie sich, warum sie noch am Leben war. Sie hatte angefangen zu rauchen, und masturbiert hatte sie auch. Nun gab es keinen Grund mehr zu warten. Sie war nicht der Typ Mensch, der wichtige Dinge vor sich herzuschieben pflegte. Und die Entscheidung war längst gefallen. Nun war der Zeitpunkt gekommen, den Plan in die Tat umzusetzen. Darin war Frau Hoffmann konsequent. Pläne in die Tat umzusetzen fiel ihr nicht schwer.
    Und in dem Moment, als sie das Licht löschte, beschloss sie, sich am kommenden Abend vom Balkon zu stürzen. Für einen kurzen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, wieder aufzustehen und es gleich hinter sich zu bringen, doch dann hörte sie den Regen unaufhörlich gegen die Fensterscheiben prasseln, was so gar nicht in ihre Vorstellung eines perfekten Selbstmords passte. In ihrer Vorstellung war der Betonboden nämlich warm und trocken. Selbstverständlich spielte das eigentlich keinerlei Rolle, für Frau Hoffmann jedoch tat es das doch. Es war schließlich ihr Selbstmord. Außerdem hatte sie bereits Zähne geputzt. Es mochte ihr nicht schwerfallen, Pläne in die Tat umzusetzen, Spontaneität jedoch gehörte bei Leibe nicht zu ihren Stärken. Und deswegen würde sie es am kommenden Abend tun.
    Die wenigen Minuten bevor sie einschlief, nutzte sie, um darüber nachzudenken, was sie zu diesem Anlass tragen sollte und entschied sich für das einzige schwarze Kostüm, das sie besaß. Sie hatte es nur ein einziges Mal getragen, an einem eisigen Dezembertag vor sieben Jahren. Seitdem war es im Keller gehangen und hatte darauf gewartet, gebraucht zu werden. Frau Hoffmann konnte sich nichts Passenderes vorstellen, als in diesem schwarzen Kostüm in den Tod zu springen. Als sie es damals getragen hatte, hatte es sich auch so angefühlt, als würde sie sterben, nur dass dieses Mal nicht ihr Herz, sondern ihr Körper brechen würde. Die Zeit war gekommen.
     
Kapitel 16  
    Am folgenden Morgen fühlte Frau Hoffmann sich unendlich schlapp. Sie hatte schon wieder diesen abscheulichen Traum gehabt. Den Traum mit dem verdorbenen Fleisch auf teurem Porzellan. Und wieder hatte sie versucht nicht zu atmen, um den abartigen Gestank nicht einatmen zu müssen. Und wieder war sie zitternd aufgewacht.
    Die Tatsache, dass Menschen überhaupt träumten, verärgerte Frau

Weitere Kostenlose Bücher