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Renate Hoffmann

Renate Hoffmann

Titel: Renate Hoffmann
Autoren: Anne Freytag
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während sie sie dabei beobachtete, dachte sie an Frau Hoffmann. Sie mochte nicht der sympathischste oder warmherzigste Charakter gewesen sein, doch sie hatte die Stärke gehabt, den Überlebenswillen, die Weitsicht und die pragmatische Denkweise, die Renate gefehlt hätten. Frau Hoffmann hatte sie gezwungen am Leben festzuhalten, und nur deswegen war sie noch da. Renate Hoffmann war noch da. Sie war glücklich, und sie hatte es sich verdient...
    Die Blätter raschelten im warmen Sommerwind. In dieser schwülen Julinacht dankte Renate Frau Hoffmann dafür, dass sie ihr das Leben gerettet hatte. Und sie dankte Henning, dass er ihr auf seine Art das Leben gerettet hatte, und das nicht zuletzt, weil er sie vor einer Heirat mit Herbert bewahrt hatte. Und sie dankte Robert dafür, dass er in der steinernen Frau Hoffmann das letzte Fünkchen Renate entdeckt, und ihr dabei geholfen hatte sich an sie zu erinnern. Denn erst mit dieser Erinnerung war Renate letztlich zurückgekommen, und mit ihr, der Wunsch zu leben.
    Vielleicht war der unerbittliche Kampf, den die erdrückende Todessehnsucht und ihr unbändiger Lebenswille in ihrem inneren ausgefochten hatten, nötig gewesen. Vielleicht wusste sie das Leben in diesem Moment gerade deswegen so sehr zu schätzen, weil sie den tiefen Wunsch verspürt hatte, zu sterben.
    Renate zündete sich eine weitere Zigarette an. Sie würde nie wirklich normal sein, was sie, ganz nebenbei bemerkt auch nicht als besonders erstrebenswert empfand, und auch die schwarzen Flecken der Vergangenheit, die auf ihrer Seele hafteten, würden niemals völlig heilen, und doch beherrschten sie nicht länger ihr Leben.
    Renate schaute ein letztes Mal zu Herrn Peters hinüber und lächelte. Sich von ihm verabschieden zu müssen, stimmte sie tatsächlich wehmütig, auch wenn er es nie erfahren würde. Für ihn gab es zwischen ihnen keine Freundschaft. In seinem Leben war kein Platz für Renate. Doch wenn man es genau nahm, gab es in ihrem auch keine Verwendung mehr für ihn. Herr Peters würde zu einer der wenigen schillernden Erinnerungen der letzten sieben Jahre werden. Obwohl sie ihn nie wirklich kennengelernt hatte, war er ihr wichtig gewesen. Er war der imaginäre Freund gewesen, den sie gebraucht hatte. Doch nun war er das nicht mehr.
    Renate schnippte den Rest ihrer Zigarette in die schwarze Leere, die ihrem Balkon zu Füßen lag, dann drehte sie sich um, schloss die Balkontür und verließ ihr altes Leben.
    Ende
     
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