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Reise in die arabische Haut

Reise in die arabische Haut

Titel: Reise in die arabische Haut
Autoren: Andrea M Ben Habibi
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richtige. Man benimmt sich nicht ungestraft deutsch in Tunesien.
    Ich informiere Jamila über die Familienfeier und schmücke den Vorfall mit meinem flott aussehenden, jungen Lebensretter in allen Facetten aus.
    Jamila strahlt wie eine aufgehende Sonne. »He will be my future husband.« Oha, das war der Bräutigam.
    »You are a very lucky woman. You will get the best husband of the world.«
    Jadda schluchzt herzzerbrechend. Schemenhaft glänzen ihre Tätowierungen im sonnengebräunten Gesicht. Die schwarzen Punkte auf ihrem Kinn wippen auf und ab, als sie ihr Antlitz kläglich verzieht.
    Jamila deutet an, dass Jadda mit sich unzufrieden ist, weil sie schlecht über mich gedacht hat. Ich erbarme mich und hauche in ihr Ohr: »Du bist die beste Jadda aller Zeiten.«
    Jamila übersetzt und brummt: »Und jetzt hör auf, zu flennen.«
    Sofort stoppen Jaddas Tränen. Sie lacht und schäkert mit mir wie in alten Tagen.

Kaltmamsell
     
    Gegenwärtig wird unter dem Prinzip Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen geackert.
    Walda bereitet das Hochzeitsessen vor. Ich fungiere als Kaltmamsell und schnippele dementsprechend Gemüse und Obst. Walda brät rekordverdächtige Mengen an arabischen Fladenbroten.
    In unbeobachteten Momenten stibitze ich mir das ein oder andere verbrannte Teilchen von dem Gebäck, das Shirin aus dem Ofen zieht. Die Zitronenlimonade, ein halbwegs süßes Getränk für das Stillen des Durstes in der Hitze, hat unsere Jadda nach einem Rezept ihrer Mutter angesetzt. Ich versuche, ihr die Formel zu entlocken. Keine Chance.
    Am Abend ist die Küche mit vielfältigen Lebensmitteln überfüllt, aber frisch gekocht wird erst morgen.
    Völlig erschlagen von der Küchenhilfstätigkeit falle ich todmüde in die Federn.
    Als der Muadhin seine Tonbandstimme anwirft, arbeiten Walda und Shirin schon wieder oder noch immer am Herd. Mir fallen zwei typisch deutsche, frauenfeindliche Sprüche ein, die auch optimal auf Tunesierinnen passen: Wer sich nicht wehrt, endet am Herd.
    Frauen gehören nicht hinter dem Herd, sondern davor, denn die Schalter sind vorne.
    Schlaftrunken schlurfe ich mit halbgeschlossenen Lidern über den Hof und stoppe fassungslos vor sterblichen Überresten, die an einem Strick von der Dachrinne herunterhängen. Sukzessiv bin ich hellwach. Nach intensiver Begutachtung identifiziere ich den Leichnam als ein Tier. Mir drängt sich ein schrecklicher Gedanke auf. Blacky? Walda eilt herbei, scheucht mich zur Seite und schneidet von dem Kadaver dicke Fleischstücke ab.
    Meinen zweiten Verdacht, der sich auf Graba bezieht, verfolge ich sofort. Der Stall ist leer.
    »Wo ist der Esel«, schreie ich in die Küche.
    Walda zieht ihre Schultern hoch. Ich zeige ihr den leeren Stall.
    »Ahhhh«, knirscht sie durch ihre Zähne und geht mit mir die Treppe hinab. Graba pocht mit einem Fuß auf der dürren Erde und wirbelt vor dem Haus sandige Staubflocken auf. Als er mich sieht, kreischt er dreimal vernehmlich I-Ah.
    Wenigstens der Esel ist noch ganz. Dankbar umarme ich seinen weichen Schopf.
    Auf das Duschen verzichte ich heute und gehe stattdessen zu Jadda, die auf ihrer Totenbahre sitzt und mit den Beinen baumelt. Sie schüttelt aufgebracht ihren Kopf, als ich sie frage, ob das tote Schaf Blacky ist.
    Ihre Antwort befriedigt mich nicht. Ich will mich von Blackys lebendem Zustand überzeugen, deshalb ergreife ich Jaddas Hand, um mit ihr auf die Weide zu gehen. Jadda sträubt sich, rechnet aber nicht mit meiner Vehemenz. Ich muss darauf beharren, dass sie mitkommt, denn ich darf nicht ohne Begleitung Haus und Hof verlassen. Die Konfrontation mit meiner Familie um dieses Privileg erspare ich mir am heutigen Tag lieber. Gereizten Leuten geht man besser aus dem Weg. Jadda schlägt ihr cremeweißes Ganzkörperverhüllungstuch um den Leib, während ich mein Dreieckstuch ausschließlich um den Kopf drapiere.
    »Blacky? Blacky?«, locke ich, aber das schwarze Schaf ist spurlos verschwunden. Die anderen weißen Schafe grasen hungrig auf der verdorrten Steppe.
    Blacky taucht nicht auf. Vielleicht ängstigt er sich vor meinem einäugigen Geist, den ich im Schlepptau habe?
    Die verschleierte Jadda jault auf und gaukelt mir ein Entlaufen des Schafes vor. Das kann sie der ‘Bild‘ erzählen, aber definitiv nicht mir. Ich suche eine halbe Stunde die angrenzenden Bezirke ab. Blacky bleibt unauffindbar.
    Verdrossen latsche ich mit Jadda zurück. Unser Hof sieht inzwischen anheimelnd aus. Bunte Lichterketten
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