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Reise in die arabische Haut

Reise in die arabische Haut

Titel: Reise in die arabische Haut
Autoren: Andrea M Ben Habibi
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Ali, Walda, Jadda und Shirin in salonfähiger Kleidung im Hof. Findet heute die Hochzeit statt? Sicherheitshalber lege ich mir die blaue Goldkutte an, aber Walda jagt mich in mein Zimmer zurück.
    Sie befiehlt mir, mein schwarzes Kleid anzuziehen. Dass ich darin schwitze, stört niemanden außer mir. Schwarz gekleidet und mit dem Kopftuch in der Hand gehe ich ins Wohnzimmer. Jamila sitzt in normaler Hauskleidung vor dem Frisierspiegel. Ich bitte sie, mir meinen Stoff um die Haare zu binden und frage: »Marriage today?«
    »No«, sagt sie. »Don‘t ask, go with my family to the neighbours.«
    »What do you do this time?«
    »I want to stay here.«
    Warum gehen wir zu den Nachbarn? Wollen wir heute die Gäste einladen?
    Die Einladungen sind, ohne dass ich Wind davon bekommen habe, längst von Walda erledigt.
    Im Nachbarhaus riecht es nach frischem Farbanstrich. Wir setzen uns in den mickrigen Innenhof, der mit einem breiten, ovalen Tisch und mehreren Holzstühlen bestückt ist und somit die Bodenfläche fast ausfüllt.
    Die Nachbarsfamilie begrüßt uns zuvorkommend. Ich bedauere zum tausendsten Mal, höchstens ein Achtel tunesisch zu verstehen und noch weniger zu sprechen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als debil aus meinem kleinen Schwarzen zu lächeln.
    Wir bechern grünen Tee und knabbern Mandeln, Nüsse und Datteln. Ich greife kräftig zu, weil der Hunger mich übermannt. Als die Nachbarin die Hauptspeise serviert, bin ich pappsatt. Couscous mit Hähnchenschenkeln und Karotten wecken den Appetit der anderen Gäste. Hätte ich geahnt, dass es noch mehr als Datteln und Knabberzeug zu futtern gibt, hätte ich nicht so gierig zugelangt. Aufgrund meiner Sättigung nage ich stundenlang an einem Hühnerknochen und hoffe, meine Schwiegereltern dadurch nicht in Misskredit zu bringen.
    Wie ich nebenbei erfahre, ist dies ein Vorhochzeitsessen zwischen den Familien. Ich frage mich, warum Jamila nicht zugegen ist. Ich bekomme heraus, dass es ihre eigene Entscheidung war, die letzten Stunden allein zu genießen, bevor sie in den moslemischen Hafen der Ehe einfährt.
    Ich bin erpicht drauf, den Bräutigam kennenzulernen. Mich interessiert seine Ausstrahlung. Hoffentlich spüre ich an der Aura, ob er gut gesonnen ist. Konträr dazu behauptete meine Oma früher: Du kannst den Leuten vor den Kopf gucken, aber nicht in ihn hinein. Stimmt natürlich, bloß in Tunesien will ich diesen Spruch nicht wahrhaben.
    Wie zuvor bin ich immer noch beunruhigt hinsichtlich dieser übereilten Eheverbindung.
    Plötzlich nähert sich ein attraktiver, festlich gekleideter, junger Herr. Er sieht mich an und stutzt sichtbar.
    Nach Reaktivierung meiner grauen Zellen erkenne ich meinen damaligen Lebensretter wieder. Es ist der Arbeiter, der behände vom Aufbau sprang und den Mercedes mit seiner Kraft stoppte. Wie schön, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Beschwingt springe ich auf und rufe: »Was für ein Zufall!« 
    Kopflos vergesse ich, dass ich in einem moslemischen Gastland bin und nicht in Deutschland. Ungestüm balanciere ich um den Tisch herum, hauche ihm ein Küsschen auf die Wange und reiche ihm beide Hände. Distanziert stellt er sich als Said vor.
    Waldas Kinnlade klappt herunter. Shirin schaut betreten auf ihren Schoß, der ein paar Couscouskörner aufgefangen hat. Jadda tickt sich geringschätzig an die Stirn und ruft: »Haram!«
    Ich bewahre Contenance, um nicht noch mehr zu sündigen.
    Nur Ali Baba erinnert sich an die damalige lebensrettende Aktion. Er steht vom Stuhl auf und klopft dem flinken Jüngling auf die Schulter.
    Die Stimmung ist dank meiner weiblichen Verwandtschaft dahin. Ali Baba verabschiedet uns von den Nachbarn: »Shukran tebkau beslama.«
    Schade, ich hätte gern noch die Nähe meines Schutzengels genossen.
    Wir marschieren querbeet zurück in unseren Hof. Die Erde bebt spannungsgeladen. Walda zetert, Jadda zeigt in meine Richtung.
    »Haram, Haram«, grölen sie durcheinander.
    In der Kontroverse geht es eindeutig um mich, denn ich habe Schande über die Familie gebracht. Ich habe mich einem fremden Mann an den Hals geschmissen. Ich bin eine Abtrünnige.
    Ali Baba haut kräftig auf den Tisch, sodass das Plastik absplittert. Er schildert den Damen meinen damaligen Unfall, als der junge Mann mich beherzt vor dem Aufpralltod gerettet hat.
    Sofort kommt Jadda auf mich zu, nimmt mein Gesicht zwischen ihre Hände und flüstert: »Bellahe sahmani, Olive.«
    Natürlich verzeihe ich ihr. In ihren Augen tat sie das einzig
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