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Reise in die arabische Haut

Reise in die arabische Haut

Titel: Reise in die arabische Haut
Autoren: Andrea M Ben Habibi
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frequentiert.
    Den Kindern ist langweilig, deshalb vereinnahmen sie die linke Ecke des Tanzbodens. Sie kauern auf dem harten Betonbelag und spielen mit Kieselsteinen. Ich hole meine Wolldecke aus der Stube und breite sie unter den Kindern aus. Jetzt spielen sie gemütlicher auf der weichen Unterlage.
    Eine Entgleisung, denn ein grimmiger Ali Baba zieht die Decke unter dem Nachwuchs hervor und wirft sie mir in den Arm. Verblüfft bringe ich das Plaid ins Zimmer und schleudere es auf mein Bett.
    Als ich in den Hof zurückkehre, sehe ich, wie Ali mit schwarzem Schafsfell aus dem Stall kommt. Er befiehlt den Kindern, dieses als Sitzunterlage zu verwenden. In dieser Sekunde erübrigt sich mein Plan Blackysuche, denn Babas Corpus Delicti bringt mir Gewissheit. Mein schwarzes Schaf wurde für diese dämliche Hochzeitsfeier geopfert.
    »It was only a black sheep«, tröstet mich Jamila, als sie meine feucht schimmernden Augen sieht.
    Logisch war es nur ein schwarzes Schaf, aber es war mein schwarzes Schaf. Ich frage mich, ob ich als schwarzes Schaf ebenfalls eines Tages hängen werde. Ich bin auch nur ein schwarzes Schaf, ein Nichtsnutz, ein Loser auf der ganzen Lebenslinie.
    Laut schluchzend husche ich in mein Zimmer. Das geräuschvolle Gegackere der Schafmampfer verfolgt mich, poetisch ausgedrückt, bis in den gnädigen Tod.

Heimweh
     
    Als ich einen flüchtigen Blick in den Hof werfe und die mit Gold überladene Braut, den schmucken Bräutigam sowie die vielen losgelösten Gäste beobachte, bekomme ich das heulende Elend.
    Nach elf Wochen Auslandsaufenthalt vermisse ich schmerzlich meinen Geliebten und meine deutsche Heimat. Ich leide wie Heidi, die auch unsagbares Heimweh aushalten musste. Noch heute Abend werde ich Khalid anrufen und um ein Rückflugticket bitten.
    Wie habe ich es geschafft, in diesem konventionellen Land zu verweilen? Warum hat es mir bis jetzt nichts ausgemacht, in diesen weiten, zugegebenermaßen bequemen Kleidern herumzulaufen? Warum trage ich ohne zu murren ein Kopftuch? Meine Haare benötigen dringend eine Haarkur, denn unter dem Schleier leiden sie gewaltig. Mich giert nach Convenience-Produkten, mich lockt der deutsche Lebensstil.
    Mittlerweile sprudeln meine Tränen wie eine überfließende Fontäne aus den Augen. Ich brauche dringend Glückspillen. Ich suche fahrig im Koffer nach der Aufputschmedikation. Längere Zeit bin ich ohne die Therapie ausgekommen, aber heute muss ich mir eine Tablette zubilligen. Latent süchtig durchwühle ich all mein Hab und Gut und finde endlich das Antidepressivum. Leider beinhaltet die Schachtel nur den Waschzettel.
    Ich entwerfe mental einen Plan, wie ich unbemerkt das Weite suchen kann. Es muss mir gelingen, klammheimlich ins Publitel zu gelangen, um Khalid anzurufen. Von ihm habe ich lange nichts mehr gehört.
    Um Jadda und Walda von mir abzulenken, werde ich locker und entspannt mitfeiern. Und bei der nächstbesten Gelegenheit mache ich mich vom Acker.
    Ich tupfe die Tränenspuren trocken, ziehe meine Kutte glatt und betrete das festliche Gelände.
    »Assalamu aleikum«, rufe ich enthusiastisch über den Hof und probiere die köstlichen Kekse.
    Jamila schaut mich prüfend an. »Are you okay?«
    »Yes, it’s a wonderful day.«
    Ich lache und scherze mit den femininen Gästen. Spätnachmittags verabschiedet sich das Brautpaar mitsamt den Eltern. Sofienne chauffiert sie zum Fotografen nach Djemmel. Wir daheim Gebliebenen winken dem überfüllten Mercedes hinterher.
    Meine Chance ist gekommen, denn Jadda, Shirin und Alisha sind leicht zu überlisten. Ich muss nur aufpassen, dass mir nicht nochmal die Tränen laufen. Ich bin heute nah am Wasser gebaut.
    Um kein Aufsehen zu erregen, schaue ich nach, was der Koch und sein Hilfspersonal in den Töpfen köcheln. In der Küche ist pausenloser Hochbetrieb. Jadda läuft zwischen der Crew hin und her und gibt Anweisungen. Mich scheucht sie demonstrativ hinaus. Ich platziere mich neben Shirin und lausche, was sie mit den anderen Frauen bespricht. Da niemand Notiz von mir nimmt, lächele ich in die Runde und nippe an meinem Zitronenwasser. Ich bedauere, das Khalid nicht zugegen ist und mich hier herausholt. Schade, dass unsere Trauung in Deutschland weniger festlich war, als die heutige in Beni Hassen. Nach Khalids Willen haben wir ohne große Feierlichkeiten in Deutschland geheiratet. Sein Geiz sowie fehlende Freunde erlaubten nicht die kleinste Party.
    Hoffentlich bandelt er nicht mit einer anderen Frau an, während
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