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Reise in die arabische Haut

Reise in die arabische Haut

Titel: Reise in die arabische Haut
Autoren: Andrea M Ben Habibi
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mich nicht lynchen, solange noch Leute anwesend sind.
    »Wo warst du?«, ruft jemand von den hinteren Bänken.
    Ich glaube, ich träume. Ich will mich in seine Arme werfen, doch Khalid wehrt mich ab. Arabische Tradition: keine Gefühlsregung unter anwesenden Leuten.
    Tränen rinnen an meiner Nase herunter und tropfen auf mein besticktes Kleid. So nah liegen Kummer- und Freudentränen beieinander.
    Ich habe Khalid nicht erreicht, weil er längst auf dem Weg zu mir war, anstatt sich von einer anderen trösten zu lassen.
    »Ich bleibe ab jetzt in Deutschland, Khalid.«
    »Ich war von Anfang an dagegen, dass du Tunesien unsicher machst.«
    Ich spüre überdeutlich, dass Khalid mich liebt und kein Beznesser ist.
    Zuversichtlich verabschiede ich mich endgültig von den ambivalenten Gedanken an das Inshallah-Forum.
    Uns bleiben noch vier Tage in Beni Hassen, bis der Flieger uns in das deutsche Land zurückbringt.
    Als ich abends mit Khalid auf meiner Matratze liege und nach unserer langen Trennung endlich Zärtlichkeit austauschen will, weist er mich ab.
    »Habe Verständnis dafür, dass wir in meinem Elternhaus nicht pimpern dürfen. So was tut man in Tunesien nicht.«
    »Küssen? Darf man das auch nicht?«
    »Nein«, antwortet er knapp, dreht sich um und lässt mich unbefriedigt links liegen.
    Gefrustet träume ich sehnsuchtsvoll von Deutschland. Obwohl ich nichts in meiner arabischen Familie entbehrt habe, kann ich es kaum erwarten, dieses traditionell konservative Land zu verlassen.
    Jadda ist tieftraurig, als ich mich letztendlich von ihr verabschiede. Während sie mich mit Gold behängt, kullern milchige Tränen aus ihren Augen. Auch mir fällt es schwer, Beslama zu hauchen.
    Als ich meine Familie, aufgereiht wie eine bunte Perlenschnur, im Innenhof stehen sehe, baut sich ein innerlicher Druck auf. Ich spüre, dass die Epoche, die ich hier zugebracht habe, einzigartig war und nicht wiederkehrt. Ich verwische die aufkommenden Gedanken, aber innerlich spüre ich, dass ich meine Familie nie wiedersehen werde.
    »Shukran Baba, Shukran Walda, Shukran Jadda. Shukran euch allen. Danke schön. Niemals werde ich Euch vergessen.«
     
     

Allein in meiner deutschen Haut
     
    Die Tuifly schwebt sanft über die Küste Tunesiens hinweg. Ich räkele mich in meinem Sitz und lenke mich mit der neuen Brigitte ab, die das Bordpersonal am Eingang verteilt hat. Gierig stopfe ich mir das spendierte Käsebrötchen in den Mund und trinke dazu einen Chateau Mornag. Prost. Noch ehe ich die Illustrierte durchgelesen habe, landen wir in Frankfurt. Der Zoll problematisiert meinen zahlreichen Goldschmuck. Ich überzeuge die Beamten davon, dass das Gold ein Hochzeitsgeschenk von Großmutter ist.
    »Heute Abend bist du reif, mein Khalid.«
    »Hmm, hmm«, grunzt er und lenkt unseren Fiat durch den Feierabendverkehr.
    »Steig schon mal aus. Ich suche einen Parkplatz und komme auf der Stelle nach«, zischt Khalid, als wir vor unserem hohen Plattenbau eintreffen.
    Beschwingt reiße ich die Autotür auf und hauche: »Bis gleich, Habibi.«
    »Halt, vergiss deinen Trolley nicht.«
    Sonderbar, dass ich meinen Koffer allein schleppen muss. Ich denke Arabischer Chauvi und schleife das Gepäck die Treppe hinauf.
    Die Wohnung riecht, als wäre wochenlang kein Lüftchen hineingezogen. Als Erstes reiße ich die Fenster auf und sorge für einen angenehmen Durchzug.
    Auf dem Tisch stapelt sich die Post. Rechnungen und Reklame, ein Einschreiben und zwei Ansichtskarten aus Tunesien, die ich mir selber geschickt habe.
    Ich öffne zuerst das Einschreiben vom Verlag und halte die Kündigung für meine Buchpublikation in den Händen.
    Feed the troll. Jetzt ist es mir egal.
    Ich öffne meinen Koffer und feuere die Kleidungsstücke alle in die vollautomatische Waschmaschine. Das Bad sieht leer aus, was mich aber nicht verwundert.
    Die Senseo fordert mich auf, einen typisch deutschen Kaffee zu pressen. Genussvoll schmiege ich mich an meine Sessellehne, nippe am heißen Schwarzen und sichte meine Post.
    Nach zwei Tassen Bohnenkaffee fällt mir auf, dass Khalid noch nicht eingetroffen ist. Ist es so schwer, einen Parkplatz zu finden?
    Aus Müdigkeit decke ich meine Bettdecke auf, damit ich gleich hineinschlüpfen kann, wenn mein Khalid endlich den Weg nach Hause gefunden hat.
    Unschuldig liegt er auf dem weißen Laken. Seine rote Farbe signalisiert Gefahr. Zaghaft klappe ich den unverschlossenen Briefumschlag auf und ziehe einen ausgerissenen Zettel heraus. Was ich dort
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