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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)
Autoren: Emil Hakl
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kriege ich einen absurd aussehenden Helm. Sie bitten mich um mein Handy, nehmen es mir weg, legen es mir ans Ohr. Rulpo macht mir das Gerät mit Hilfe von Leukoplast an meinem Hamsterbäckchen fest. Ordentlich drücken, zeigt Murgy. Über Kreuz, jawohl. Damit’s hält. Genau so. Darüber setzen sie mir noch eine große gelbe Brille.
    Alles in allem ist mir das egal. Von dem, was sie mir im Rahmen der Instruktionen erklärt haben, ist kein Müh mehr in meinem Kopf. Mein Gedächtnis hat das alles eingeschmolzen. Es gebärdet sich dieses Jahr wie ein Mixer. Ich bin voll mit fein moussierendem Informationsbrei. Offenbar eine natürliche Reaktion auf den Haufen Romane, Geschichten, Monografien, Enzyklopädien, Essays, Biografien und anderer Wortschätze, auf die ununterbrochene Flut von Lektüre, mit der ich etwa seit Weihnachten versuche, jede freie Minute vollzustopfen.
    Murgy gibt mir Ratschläge. „Weißt du, wovon ich rede“, versichert er sich, „kannst du mich hören?“
    „Ju, lugisch“, sage ich, das Gesicht vom Klebeband zusammengezogen.
    In der Zwischenzeit schüttelt er jemandem die Hand, dem nächsten reicht er beide, einem anderen winkt er zu. Er macht Ausfallschritte nach hier und da. Damit bringt er zum Ausdruck, dass er ein echter Kerl ist. Er blinzelt mit besessenem Blick in die Sonne. Er ist voll dabei.
    „Hörst du mich?“, krächzt er.
    „Jep“, antworte ich.
    „Also! Du spürst die Strömung auf, wie ich’s dir gesagt hab, zentrierst sie, hältst dich drin, klar. Du gibst, was geht, und dann raus, wie ich’s dir gesagt hab. Is klar, oder? Du suchst dir ’n Landeplatz, gehst runter.“
    5 ICH NICKE UND SEHE MICH UM. Pickelgesichtige, zappelige Moskitos, rebellische Karrieristinnen, viehisch fertige Vierfachmütter, dröge Doktorandinnen, Muskelbullen jeder Art, Gutmenschen, Bescheidwisser, Military-Typen, Rōnins, Kapuziner, Wu-Tang-Clan-Fans, Blödis wie aus rotem Gummi gegossen, quicksilbrige Adoranten ewiger Jugend mit blondierten Haaren. Alle wollen in die Luft. Einer sogar in einem voluminösen Marienkäferkostüm.
    Ich glotze sie an und lächle. Ich sehe aus wie einer von ihnen. Der Wille geschehe! Die Telefonrechnung gehört wahrscheinlich nicht zum Geschenk, das kann mir aber wurscht sein. Mein Schicksal steht offenbar an einem Wendepunkt.
    Sie legen den Fallschirm rosettenförmig auf dem Boden aus. Schubsen mich mit dem Gesicht in Richtung des tiefen, langgestreckten Hangs.
    „Dreh dich mal rum“, verlangt das Telefon.
    Ich drehe mich um. Rulpo kichert wie verrückt, Murgy macht seine Ausfallschritte. Ich sehe, wie das Ding über mir aufsteigt, sich bläht und füllt. Wie es sich zu einer riesigen leeren Umarmung öffnet.
    „Geh zurück!“, befiehlt mir das Sprechgerät. „Jetzt rumdrehen. Und los!“
    Zuerst schliddert es mit mir nur unentschlossen dahin, dann reißt es mich vom Boden weg und zerrt mich nach oben. Basta.
    „Gleich mit liinks! Zu dir! Mit liinks! Ziieh!“
    Das war klar und deutlich, muss man sagen. Ich ziehe links und drehe nach links ab. Wie in einem Panzer, haben sie mir gesagt.
    „Ähäh, ähähäh“, sage ich.
    „Nach links! Ziieh!“
    „Hoho“, sage ich, „da bin ich!“
    „Du bist an der Kante! Krr-che“, empfiehlt mir das Knisterteil. „Hummihemse, Alter! Ziieh!“
    Ich ziehe die linke Bremse zu mir. Es klappt, der Horizont sortiert sich, die Bäume sortieren sich, das geparkte Auto richtet sich auf.
    6 ICH HÄNGE UNTER EINER HAUCHDÜNNEN PELLE, AN DIE ICH DURCH EIN GEWIRR AUS SCHNÜREN GEFESSELT BIN. Für den Notfall habe ich was in der Hinterhand. Man zieht an etwas, ein Fallschirm oder so kommt raus, und gut is’.
    „Merween, an! Lang-sa-mer!“, ruft mir einer der zwei Bären aus dem Puppentrickfilm
Sie trafen sich bei Kolín
zu.
    „Wie denn?“, sage ich.
    „Beide zu dir ranziehen!“
    Ich versuche es. Ein Schaukler, noch einer.
    „Weniger Kraft!“, kreischt er.
    Ich ziehe noch mal, ganz leicht.
    „Nau, hiehn!“, freut er sich. „Enau so! Eh!“
    Das zähe, nasse Huhn im Käfig meines Brustkorbs, das mir mit seinem Gackern den Weg in diese Welt eröffnet hat, beruhigt sich allmählich. Die Lokomobile wird langsamer. Der Puls geht wieder auf Normalmaß zurück. Offenbar hat das Tafil endlich angeschlagen. Das Stilnox hätte ich nicht auch noch nehmen sollen, das war mir schon in dem Moment klar, als ich es aus Angst, das Tafil könnte nicht wirken, geschluckt habe.
    „Siehst du, und die Fresse haste dir nicht gewaschen“,
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