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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)
Autoren: Emil Hakl
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will mir der Kasper weismachen, dass es gerade erst losgeht: „Mach dich locker! Lass dich fallen! Genieß es!“
    9 „DER SCHWEJK WAR COOL“, STUPSTE MICH MURGY IM
FRAKTÁL
GEGEN DAS BRUSTBEIN, „ABER AUF DIE KNIE GEGANGEN BIN ICH VOR DEM SEPPEL MIT DER KORBFLASCHE:
ISCH BIN NEMLISCH AUS VAL-MEZ! Obwohl – ich hätt’ ja bei so ’nem Dreck nicht mitgemacht“, fügte er hinzu, „ist doch peinlich, seine Visage überall zu sehen.“
    Ich versuchte ihm klar zu machen, dass das nur als kleiner Joke für meine Freunde gedacht war. Ich hatte vermutet, dass es höchstens um eine Zeitschriftenanzeige geht. Keiner hatte mir verraten, dass die daraus eine landesweite Plakatkampagne machen, weil das für die Tschechischen Bahnen ist. Und deine Kumpels, kam da ’ne Reaktion?, wollte Murgy wissen. Nicht wirklich, musste ich zugeben, dafür haben sich alle gemeldet, denen ich irgendwas geschuldet habe. Der Sack hat sich saniert, haben die gedacht, du hast deine Fresse verkauft, geschieht dir recht, lass rüberwachsen! Sprich, ich hab am Ende dreimal mehr verteilt, als sie mir nach langem Hin und Her gezahlt haben.
    Als Rulpo in der Bar eintraf, musste ich die Story noch mal erzählen. Sie lachten und lachten. Dann lachten sie darüber, wie sie lachten. Und dann brachten sie noch Bruchstücke von irgendwelchen anderen gedanklichen Ebenen zum Gackern. „Wann hast du Geburtstag?“, fragten sie mich. „Ende März, wieso?“ „Dann betrachte das als verspätetes Geburtstagsgeschenk“, sagten sie, „wir haben uns totgelacht über dich! Kennst du Paragleiten?“ Und sofort haben sie mich gebrieft. Auf die Rückseite eines Bierdeckels gemalt, wo’s langgeht. Als sie beschrieben haben, wie das so ist zu fliegen, klapperten ihnen die Arme. „Es kann nix passieren“, murmelten sie, „alles entspannt, im schlimmsten Fall hast du ’n Rettungsschirm.“ Und dann fanden sie mit ihren armreifbehängten, rasselnden Flossen nicht durch die Ärmel ihrer Jacken. Kaum war ihnen das gelungen, schlugen wir mit umfassten Daumen ein. Ich gab Murgy aus falscher Höflichkeit meine Festnetznummer, wo ich aber sowieso fast nie rangehe.
    Als das Telefon klingelte, schlürfte ich gerade moldawischen Cognac, den ich mehr oder weniger zufällig in einem abseits gelegenen Spätkauf in der Sudoměřská-Gasse von einem verschlafenen Mädel mit russischem Akzent gekauft hatte. Dazu hörte ich Screamin’ Jay Hawkins. Und so ging ich aus biochemischem Überschuss an Entgegenkommen doch ran. Er sagte, er wolle gar nicht hören, dass ich es mir anders überlegt habe. Dass ich mir nicht ins Hemd machen soll. Dass ich fliegen soll. Dass er nichts Besseres kennt. Sich auf diesem Weg so genannte Träume zu erfüllen. Fallschirmspringen, Ballonfahren. Lasst mich mit dem Scheiß in Ruhe, das hätte ich ihm sagen sollen. Ich will mir keinen Traum erfüllen, nicht auf diese dämliche Art. Stattdessen bedankte ich mich herzlich bei ihm.
    10 WESHALB ICH JETZT BEOBACHTEN KANN, WIE TRENDY PEOPLE MIT BUNTEN FLÜGELN ZWISCHEN STEILEN BASALTKEGELN RUMSCHWIRREN. Einige haben einen Propeller in einem Drahtkorb auf dem Rücken, andere im Schoß fest geschnallte Kinder. Es erinnert an mittelalterliche Vorstellungen vom Paradies. Afrika, wie es der eingemauerte Ordensbruder aus seinen Halluzinationen kannte. Ein Hummelgewimmel. Ein Ball der Fakire. Eine Ladung Probepackungen aus dem Jenseits. Etwas Unwirk liches. Unwirklich Schönes. Schön, bis einem das Kotzen kommt.
    „… das Kotzen kommt“, stoße ich aus Versehen laut hervor.
    „Neiin!“, erschrickt der Bär an der Grenze der Hörbarkeit, er hat Angst um seinen Flugapparat. „Run-ter-schlu-cken! Nicht kot-zen, Seep-pel! Hast’n Kaugummi? Dann kau!“
    „Keine A-angst, nein“, tröste ich das Handy, das schmerzhaft an meiner Wange pappt.
    „Wo biist du?“, begehrt es zu wissen.
    Unter mir fließt ein endlos langes Feldgehölz dahin, Zäune, Wohnwagen. Über die Wiese rennt ein Kind, unter dem T-Shirt sieht man kackebeschmierte weiße Stampferchen hervorblitzen. Und schon kommt mit ausladenden Bewegungen ein speckbepackter Zombie weiblichen Geschlechts auf das Kleine zugeeilt. Klatsch, eine Backpfeife. An eine Baumreihe schließt nahtlos ein Labyrinth aus stickigen Schuttplätzen an. Ein Bursche zerbricht trockene Äste. Bis hierher kommen die scharfen, hölzernen Schüsse geflogen. Ich sehe eine auf einem Fahrrad strampelnde Ameise, an der Lenkstange zwei vollgestopfte Plastiktüten. Unsicher rollt sie
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