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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)
Autoren: Emil Hakl
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die Betonpiste zu den Wohnblocks am Fuß des Hügels hinab. Ich bin anscheinend irgendwie niedrig.
    „Weiß nicht“, sage ich.
    „Eh Alter, dem Mädel ist hundeelend, und du überlegst, ob die dir vielleicht nur was vorspielt?“, erklärt er wieder jemand anderem.
    „Wo biist du, Sep-pel?“, wendet er sich wieder an mich.
    „Weiß nicht.“
    „Und was siehst du?“
    Ich sehe die griechischen Buchstaben der Windschutzhecken, das gleichgerichtete Nicken der Pappeln. Mulde an Mulde, Sausen, Brausen, aufkochende Wolken, die sich überstürzt durchdringen. Die babylonischen Türme der Haufenwolken. Die zerfledderte Klingsteinkuppe, die aussieht wie ein schlafendes Mammut, könnte eventuell der Bořeň sein. Bloß, was nützt mir der Bořeň, wenn ich nicht weiß, von welcher Seite ich draufgucke.
    „Hügel und Pappeln“, antworte ich.
    „Siehst du den Startplatz?“, will er wissen, womit er wahrscheinlich den Raná meint.
    „Nein.“
    „Dann nutz die Strömung! Zentrier sie! Lass locker! Geh höher! Schlaf nicht ein!“
    11 STIMMT, DIE BREMSEN HALTE ICH WAHRSCHEINLICH EIN BISSCHEN VERKRAMPFT FEST. Ich lasse locker und siehe da – in der Ferne schimmert blau der Stadtrand von Louny, wo ich zwei Sommer lang Gefreiter war. Das erste Jahr ganz normaler Rotarsch, das zweite Jahr Stabsratte, Schreiber, weil ich Abitur hatte. Na, eigentlich ja nicht, das hab ich erst nach dem Wehrdienst gemacht, wie kam das also? Wer weiß. Aus irgendeinem Grund haben die mich zum Schreiber gemacht. Also hab ich aus dem Kasernenfenster gestarrt, meistens just in diese Richtung, zum Dreifachgipfel des Raná.
    Der befindet sich links hinter mir.
    Irgendwie trudele ich komisch hier herum.
    Louny … Wo mag der krankhaft gut aussehende Obergefreite geblieben sein, der zu einer verblüffenden Ähnlichkeit mit Dean Reed verdammt war (siehe Google)? Was ist aus dem unscheinbaren Schönling, dem Leutnant Nikolaj Mňuk, geworden? Der mit dem Fernglas auf dem Turm eines BVP-Panzerwagens stand, mitten im Fichtenwald, in einer funkelnagelneuen weißen Tarnuniform, auf dem Kopf die stark gebogene Schirmmütze, genannt SS-chen, und wie eine Statue um sich blickte, geblendet von der Illusion, den Kampf zu lenken? Während wir einfachen Soldaten im Gebüsch hinter der Geländedüne Sliwowitz kippten und mit Platzpatronen schossen, dass der Schnee von den Ästen stiebte. Wo steckt Mňuk, der den Manövertag anschließend mit den Worten auswertete: „Ich möchte Ihnen mein Lob aussprechen, das hat sich gut angehört!“
    Wohin hat es den Oberfähnrich mit dem Gesicht einer vierzehn Tage toten Leiche verschlagen, dem ewig die Kohle für den Alk fehlte? Der nie seine große, schwarze Brille abnahm, weil er ständig eine von den Reservisten zerdroschene Fresse hatte? Ums Verrecken gern hat er denen nämlich das Leben schwer gemacht, obwohl er genau wusste, dass diese ansonsten netten Vatis ihm auflauern würden, um ihn, wenn auch ungern, zu vermöbeln. Was macht dieser Gnom, von dem man wusste, dass es ihm gelungen war, ein Maschinengewehr samt einer Kiste Munition zu verschieben, heute? Die Waffe fand sich umgehend wieder, denn die Kubaner vor Ort schossen aus ihr in einem Aufflammen karibischen Frohsinns zweihundert scharfe Patronen in Richtung Herbstmond. Es dauerte bis in die Nacht, ehe die vor Angst halbtote Polizei per Megafon von ihnen erbettelt hatte, das Dach ihres Wohnheims zu verlassen.
    Was hatten Kubaner im Schoße des Böhmischen Mittelgebirges zu suchen? Sie bewohnten ein Plattenbauviertel, verplemperten ihre Zeit in der Textilfabrik und mischten auf unerhört brutale Weise Gaststätten auf. Man sagte, das seien Castros Scharfschützen gewesen, die sich laut
Voice of America
nach einem Einsatz in Angola an einen unbekannten Ort verkrümelt hatten. Sie hatten sie zu uns abgeschoben, damit sie auskühlen konnten, in diesem nasskalten Land voll verflogener Geister. Dieser Plan hatte seine Logik, ging aber offensichtlich nicht auf.
    Wo ist Hauptmann Neplech, der Fettsack? Der laut geflennt hat, als er sich auf dem Bahnhof von der Rotte verabschiedete, von wo aus uns der Zug für immer und ewig wegbrachte, ins Zivilleben. Der mir, während ich in einer lässigen Lederjacke und geflickten Jeans vor ihm stand, verzweifelt ins Gesicht kreischte: „Soldat! Ich hatte Sie gern, und als Zivilist sind Sie so ein verdächtiges Element! Ein Rowdy! Wie konnten Sie mir das antun, mein Gott! Ich habe glatt Lust, Sie noch einzusperren! Sie wissen
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