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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M
Autoren: Bernd Ulbrich
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Das Jubiläum
    Verloren in der Weite der, Schneewüste lag die Station. Drei Kugelsegmente duckten sich in das Weiß. Ein Gittermast ragte hoch auf. Den Landeplatz umringten Scheinwerfer. Ihre Strahlen reflektierten im Dunst verdampfender Ammoniakund Methankristalle. Eintauchend in das Nebelmeer, suchte das Raumschiff seinen Ruhepunkt.
    Das Dröhnen der Triebwerke verebbte. Die Vibration ließ von mir ab, versickerte scheinbar in der Stille.
Als erster reckte sich Gould aus seinem Sitz. Er breitete die Arme aus und rief: »Nun, Planet, gib dein Geheimnis preis, sofern du eins behütest!«
Simak warf ihm einen schnellen Blick zu. »Schweig! Der Moment nach der Landung ist mir heilig. Er bedeutet mir die Wiederkehr aus einer Ohnmacht.«
Leise lachte Gould auf. »Jeder auf seine Weise. Ich kenne das Gefühl, wieder dazuzugehören. Was immer sich unter einem befindet, es ist fest. Man tritt darauf, und es hält fest. Es verbindet.«
»So kann wahrlich nur einer reden, der gerade erst gelandet ist.« Vom Bildschirm her lächelte ihnen das derbe Gesicht des Stationschefs entgegen. »Wenn du zehn Monate hier bist, erscheint dir Pluto ziemlich anders.«
»Hallo!« rief Fould. »Sei mir gegrüßt und lasse dich umarmen. Auch euch Kellerasseln wird die Sonne wieder scheinen. Wir legen Zeugnis ab, daß sie es auf der Erde noch tut. Glaube und Hoffnung, Freunde, zeichnen den Kosmonauten aus.«
Wladimir Schuster lachte. »Wir hatten zwei seriöse Leuchten der Wissenschaft erwartet. Seid uns also willkommen! Kommt ‘raus aus eurem Gehäuse, ehe der Fusel warm wird.«
Über blankgefegten Fels eilten sie auf das Hauptsegment zu. Die Bewegung weckte eine lang ersehnte Energie in Gould. Die Monotonie des Fluges hatte ihn ermüdet. Die Gespräche mit Simak waren geistreich, aber ernst gewesen. Die Konzeption ihrer Arbeit hatten sie schon auf der Erde abgeschlossen.
Die Begrüßung in der Hauptschleuse übertraf alle seine Erwartungen. Männerbärte schabten über seine Wange, Frauenlippen trugen Balsam auf. Selbst Simak lachte ausgelassen und umarmte alle mehrmals. Sie teilten die Geschenke aus und ernteten erneut Jubel, Umarmungen, Küsse.
Die Stunden sich hinziehende Tafel strengte Gould auf angenehme Weise an. Man brachte unzählige Toasts aus. Die Zwischenzeit füllten alte und neue Geschichten. In unerhörtem Glanz lebten die Gesichter auf. Die Wärme, das Essen, der Alkohol vermengten sich zur Lasur, die den Farben leuchtende Kraft verlieh und den Gedanken Esprit.
Nur mittelbar noch erreichten ihn die Geräusche. Die befriedigte Erwartung, die noch nicht vergessene, versetzte ihn in einen Taumel von Stille.
Irgendwann erlahmten die Gespräche in Sattheit. Doch niemand fühlte sich erschöpft genüg, um sich zur Ruhe zu begeben. Es war, als erwarteten alle mit unersättlicher Gier einen neuen Höhepunkt, denn die Hingabe an den Rausch des Abends forderte Verlängerung. Zu selten ergab sich eine Gelegenheit wie diese. Auf engstem Raum zusammengedrängt, hatte man tagtäglich miteinander zu tun, nur miteinander.
Wladimir Schuster klopfte an sein Glas. »Unsere Gäste werden es uns nicht Verübeln, daß wir über nur mangelhafte Kenntnis ihrer Person und Absicht verfügen. Selbstverständlich ist einem jeden von uns schon von der Schule her der Name Kogols geläufig. Unsere Station trägt seinen Namen. Aber wie das so ist«, ein Lächeln vertiefte die Röte seines Gesichts, »man vergißt die Umstände und Daten manchmal desto schneller, je öfter man ihnen begegnet.« Sein Blick ruhte auf Simak, den die Stimmung der Gesellschaft während des ganzen, Abends lediglich zu einer Anzahl knapper und kluger Äußerungen angeregt hatte. »Sei so freundlich, mein Lieber, erzähle uns die Geschichte aus der Sicht des Historikers. Das letzte Mal, daß ich damit zu tun hatte, liegt zwanzig Jahre zurück. Wer mußte nicht einen Aufsatz verfassen des Themas: ›Die Rolle der Persönlichkeit bei der Eroberung des Kosmos‹! Wie ihr alle habe ich das selbstverständlich am Beispiel unseres großen Kogol abgehandelt.« Er schüttelte sich in komischem Entsetzen. »Es muß ein Machwerk gewesen sein.« Die Gesellschaft brach in Gelächter aus.
Simak und Gould verständigten sich mit einem Blick. Gould war froh, daß sein Gefährte das übernahm. Er wußte, es machte ihm Freude. Er war tatsächlich der bessere Redner. Simak blickte abschätzend in die Runde.
»Wie ihr wißt, begehen wir im nächsten Jahr den zweihundertsten Todestag des großen
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