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Böser Mann - Provinzkrimi

Böser Mann - Provinzkrimi

Titel: Böser Mann - Provinzkrimi
Autoren: PeP eBooks
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Samstag
    L uginger saß vor seiner Kneipe auf einer Holzbank und drehte sich eine Zigarette. Aus einer Laune heraus hatte er nach dem Mittagessen seine langen blonden Haare mit einem Haarband zu einem Zopf zusammengebunden, der bis über seine Schultern reichte und locker auf dem schwarzen T-Shirt aufag. Über seinem kräfigen Brustkorb prangte in weißer Schrift Highway to Hell, darunter sprang Angus Young mit Gitarre ins Nichts.
    Bayern null, Bremen null. Lugingers Gäste saßen gespannt vor einer großen Leinwand und warteten auf das erste Tor. Samstag, zehn vor sieben, Bundesliga live. Wie so of war das Lokal gut besucht, wenn die Bayern spielten. Durstige Männer und weniger durstige Frauen trafen sich hier, seit das Bezahlfernsehen mit seinem lang gezogenen Wochenendspielplan der Sportschau die wahren Fans abspenstig gemacht hatte.
    Moni macht das schon, dachte er, während er mit der Zunge über das Papierchen fuhr, um danach mit einer geübten Bewegung seiner Finger die Zigarette zu schließen. Moni zapft, Moni bedient, Moni kassiert. Seit Urzeiten stand sie hinterm Tresen. Bier, selten Cola oder Wasser, noch seltener Kaffee, mehr oder weniger war’s das schon. Seine Gäste mochten, was alle mochten, wenn sie die Lufanhielten, auf die Tische schlugen, mit den Armen ruderten oder lauthals fuchten, weil Klose den Ball mal wieder in aussichtsreicher Position versemmelt hatte.

    Entspannt zog er Rauch durch die Lungen. Sonnenstrahlen fielen auf den Kneipeneingang mit dem Zigarettenautomaten und dem hässlichen Mülleimer, den Sammy schon lange hätte abschrauben sollen. Er rutschte ein Stück nach rechts. Sonne mochte er nicht, Sonne war für die anderen, für die, die Bräune liebten und sich monatelang die Klamotten vom Leib rissen, um schöner zu werden.
    Luginger sah sommers wie winters gleich aus. Blass, schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans, braune Quastenslipper, lange Haare, blaue Augen, kräfiges Kinn, schmale Nase und volle Lippen um einen Mund, den er hauptsächlich zum Rauchen brauchte. Luginger redete nicht viel. Wenn er redete, dann nur, um andere bei Laune zu halten. Er schaute, schwieg und dirigierte Personal und Gäste mit wenigen knappen Bewegungen seines kräfigen Körpers.
    Entsetzte Schreie. Dann Murren und Klagelaute.
    Müller, dachte Luginger. Junger Bursche, braucht zu viel Zeit, um seine Gräten zu sortieren.
    Josef und Edi kamen mit ihren Bieren nach draußen.
    »Wie immer«, sagte Luginger und lächelte.
    Beide nickten.
    »Wird schon«, sagte Luginger.
    Edi blinzelte wie blöd. Josef wischte sich Schaum vom Mund, und Luginger drückte seine Zigarette aus.
    Josef öffnete einen Knopf an seinem kurzärmeligen Hemd. »Warm heute. Im September abends noch 20 Grad wird’s nimmer oft geben.«
    Luginger und Edi schwiegen.
    Josef betrachtete seinen Bauch. »Da spannt alles. Müsst mit dem Saufen aufhören.«

    Edi grinste.
    Moni brachte Luginger ein Weißbier.
    »Hör mal, Moni, der Josef kriegt heute nix mehr, verstehst.«
    »Selbst wenn er noch so bettelt«, ergänzte Edi.
    »Selbst wenn der Müller dreimal trifft«, setzte Luginger hinzu.
    Josef stöhnte. »Moni, machst mir noch eins.«
    »Geht doch«, brummte Edi und klopfe Josef anerkennend auf die Schulter.
    Erneut füllte kollektives Stöhnen Lugingers Hammer-Eck.
    »Chancen über Chancen«, hörte Luginger Sammy rufen.
    »Muss halt rein, die Kugel«, sagte Edi, hob sein Glas und trank einen großen Schluck.
    Luginger ging hinein zum Tresen und sah, wie Sammy aus der Küchentür lugte, Faulhuber paffte und Gernots Knie rhythmisch auf und nieder wippte. Während Erika am Bund ihrer engen Jeans herumzupfe, sortierte Heider Kleingeld.
    »Sammy, machst mir eine Schnitzelsemmel?«, fragte Heider.
    Ein Freistoß der Bremer segelte gefährlich vors Bayerntor. Sammy starrte auf die Leinwand.
    »Hey, Bimbo, Heider Hunger, Heider Schnitzelsemmel.«
    Faulhuber drehte sich um und knurrte feixend: »Bei Fuß, Heider, bei Fuß. Und sitz.«
    Luginger schüttelte den Kopf. Heider grinste. Dann versuchte er es erneut: »Sammy, da passiert nix. Ich hab seit dem Frühstück nix mehr gegessen.«
    Sammy war Lugingers Koch. Er kam aus Ghana wie seinerzeit Sammy Kuffour, unter Hitzfeld und Effenberg Innenverteidiger bei den Bayern mit legendären Aussetzern auf dem Platz und unvergessenen Gesangseinlagen nach großen Siegen. Sammy
hieß Sammy, weil es so am einfachsten war. Jeder andere Name hätte Lugingers Gäste überfordert.
    Ohne den Blick von der Leinwand
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