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Utopia 2050

Utopia 2050

Titel: Utopia 2050
Autoren: Gordon R. Dickson
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1.
     
    Während er auf einem Antigrav-Tisch, nackt unter einem dünnen Laken, durch einen weißen, blitzblanken Korridor zur Injektion schwebte, grinste Etter Ho spöttisch an die schimmernde Decke empor. Er kannte ein Zitat aus Kiplings Rimmon, das auf seine Situation paßte.
     
    Täglich, mit Knien, die Beben heucheln,
    gebeugten Haupts, gesenkten Blicks,
    doch stets, um meines Vaters willen,
    verneig' ich mich in Rimmons Haus.
     
    Allerdings war er hier nicht um seines Vaters, sondern um seines Bruders willen, Wally, der sich schon lange in diesem speziellen Haus Rimmon verneigt hatte; nun folgte Etter ihm, nach vierundzwanzig Jahren der Überzeugung, niemandem etwas schuldig zu sein. Nun, schließlich war er nicht besser als die Milliarden anderen Individuen, die die Chance, mit der Allgemeinen Grundversorgung in Freiheit zu leben, achtlos verworfen hatten, um innerhalb der Maschinerie, die ihnen Utopie auf Erden ermöglichte, den Fesseln von Beruf, Rang und Einfluß nachzujagen.
    Ets Bewußtsein war gänzlich klar. Man hatte ihm, wie jedem, der um die Behandlung mit Reninase 47 ersuchte, für den Zeitpunkt der Injektion ein Beruhigungsmittel angeboten, aber er verzichtete darauf. Er mied alle Drogen, sogar Aspirin, weil er fand, daß auch die harmlosesten davon die bewußte Erfahrung des Lebens zumindest geringfügig trübten. Und die Beeinträchtigung der Sinne kam für Et einem kleinen Stückchen Tod gleich.
    Ob das R 47 etwas bewirkte oder nicht, ob es seine Intelligenz um ein paar IQ-Punkte steigerte oder verminderte, er wollte die Veränderung bei vollem Bewußtsein erleben. Selbst wenn ein negatives Resultat in eine ernste Herabsetzung seiner Geistesklarheit münden sollte, wie sie bei Wally eingetreten war, er wollte auch dessen bewußt sein. Die Wahrscheinlichkeit war jedoch gering. Diese Möglichkeit stand Eins zu Millionen, ebenso wie die umgekehrte, nämlich die, daß die Droge ihn in ein Supergenie verwandelte. Keine der Möglichkeiten spielte eine Rolle. Alle möglichen Ereignisse, alles und jedes, waren seinem Recht, davon zu wissen, untergeordnet. Diese Entschlossenheit war sein persönlicher Fluch, seine freiwillige Verpflichtung und sein Glaubensbekenntnis; ihr würde er treu bleiben, solange sich in seinem Körper Leben regte.
    Der automatische Antigrav-Tisch, der ihn beförderte, vollführte plötzlich eine scharfe Wendung in rechtem Winkel. Über ihm glitt die Decke eines anderen Korridors dahin, aber nicht für lange. Ein ruckartiger Halt folgte, dann eine weitere Wendung um neunzig Grad, und er schwebte durch eine Tür in einen Raum mit einer Decke in mildem Grün. Es war ein kleiner Raum. Ringsum konnte er die Wände sehen.
    »Das ist also unser Patient?« Eine herzliche Stimme in tiefem Baß. »Dann wollen wir mal schauen, Mr. Ho.«
    Jemand entfernte das dünne Laken. Der sanfte Farbton der Decke wich einer blitzenden Spiegelfläche. Er blickte auf und sah sich und den Mann mit der herzlichen Stimme, eine plumpe, durch den Widerspiegelungswinkel verkürzte Gestalt in grüner Vermummung, die auch das Gesicht und den Kopf einschloß.
    »Wozu die Kleidung, Doktor? Dies ist keine Operation.«
    Die Augen oberhalb der Maske ließen ihren Blick rasch über Ets Körper gleiten. »Vorschrift.« Braune, dicke Finger drückten Ets Unterleib ein. »Ein bißchen Fett, nicht wahr?«
    »Keines, wovon ich wüßte«, sagte Et. »Ich habe starke Knochen.«
    Er starrte empor in den Spiegel. Ihm war zumute, als betrachte er einen Unbekannten. Weshalb? Natürlich, vielleicht war dies das letzte Mal, daß er sein Spiegelbild mit jener Qualität des Verstands betrachtete, mit der er geboren war; vielleicht sah er sich nie wieder so wie er sich kannte.
    Daher prägte er sich den Anblick ein – den eines hochgewachsenen Fremden mit rauhem, schwarzem Haar und rundlichem Gesicht. Die Weichheit des Fleisches, das Zeugnis seiner polynesischen Abstammung, hatte den Arzt dazu verleitet, unter der Haut Fett zu vermuten. Die Ungefügigkeit des Nordeuropäers – der starke Knochenbau, von dem er gesprochen hatte – lag unter geschmeidigem pazifischem Fleisch verborgen. Ein vulkanisches Innenleben unter friedlichen Waldhängen. Eine Falltür zum Höllenfeuer und zur Verdammnis unter dem Blau tropischen Himmels, nun seit drei Generationen. Urgroßvater Bruder, was empfinden deine Gebeine, die in der kalten, steinigen Erde der Alpen ruhen, falls sie sich der sonnigen Strände deiner Inselmission entsinnen?
    Die
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