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- Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond

- Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond

Titel: - Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond
Autoren: Sarah Blakley-Cartwright , David Leslie Johnson
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höhnisch der Hauptmann.
    Vater Solomon sah hinab auf seinen Arm und ließ in sein Bewusstsein dringen, dass die Verderbnis bereits in ihm wuchs. Er war nicht besser als der Wolf, den er gejagt hatte. Er war ein Mann, der seinen Überzeugungen treu blieb, treu bis zum bitteren Ende. Er glaubte an Reinheit und Reinigung, an die kühle, unsentimentale Vernichtung des Bösen.
    Mit seiner verbliebenen Hand bekreuzigte er sich.

    »Vergib deinem verlorenen Schaf, Herr. Ich wollte dir nur dienen, uns vor der Finsternis bewahren …«, begann er, sprach aber nicht zu Ende.
    Denn auch der Hauptmann glaubte an Vergeltung und schwang sein Schwert. Schärfer noch als ein Rasiermesser, durchbohrte er schnell und sauber Solomons Herz, ohne an den Knochen zu stoßen, ganz so, wie Solomon den Bruder des Hauptmanns getötet hatte.
    Roxanne schaute weg, Valerie aber nicht. Ein Übel war beseitigt, eines von vielen. Sie spürte etwas an ihrer Schläfe. Blut sickerte aus der Wunde, die ihr Solomon beigebracht hatte, als er ihren Kopf gegen die Wand stieß.
    Vom bloßen Anblick der feuchten Finger wurde ihr schwindlig. Sie sank in die Knie.
    Wo ist Peter?, fragte sie sich wieder.
    Dann wurde die Welt ein Nirgendwo und verlor ihren Grund. Sie fiel hinab, tief hinab in die Mitte von allem.

Kapitel 29
    V alerie kehrte von einem Ort der Finsternis in die Welt zurück. Sie schaute sich um, erkannte die Decke. Großmutters Decke. Aber war sie früher nicht weiß gewesen? Jetzt war sie rot, so rot wie ihr Mantel. Und pulsierte wie ein lebendes Wesen.
    Sanfter Schnee hatte wieder eingesetzt und bildete draußen große, weiche Haufen wie noch nie. Es musste die ganze Nacht geschneit haben. Der Himmel war glatt und weiß wie ein Traum. Valerie blickte zu der Gestalt neben sich. Großmutter. Eigentlich hätte es Lucie sein müssen. Wo war Lucie? Tot. Sie würde immer tot bleiben, als hätte sie gar nie existiert.
    Offenbar hatte sie beim Aufwachen auch Großmutter geweckt. Die alte Frau drehte sich zu ihr herüber und öffnete die Augen. Sie waren feucht und kugelförmig, ihre Pupillen groß. Rund wie Murmeln.
    »Großmutter, was hast du für große Augen«, stellte Valerie ruhig fest und bemerkte, dass jeder Zug in Großmutters Gesicht scharf und überdeutlich hervortrat. Valerie fühlte sich so, als hätte sie zu schnell zu viel Wasser getrunken, leer und voll und irgendwie benommen.

    »Dass ich dich besser sehen kann«, antworte Großmutter mit gedämpfter Stimme.
    Auch ihre Ohren schauten seltsam spitz unter ihren zerzausten Haaren hervor.
    »Großmutter, was hast du für große Ohren.«
    »Dass ich dich besser hören kann.«
    Bei diesen letzten Worten entblößte Großmutter endlich ihre Zähne – ach, ihre Zähne! Sie sahen länger und schärfer aus als sonst.
    »Großmutter, was hast du für große Zähne.«
    »Dass ich dich besser fressen kann …«
    Großmutter tat einen Satz und …

    Valerie erwachte mit einem erstickten Schrei. Sie sah sich um und stellte fest, dass sie sich in ihrem eigenen Bett befand. Neben ihr lag Roxanne und schlief, das Gesicht vom Morgenschein leuchtend. Valerie holte tief Luft und betrachtete ihre Freundin.
    Roxanne war auch nicht Lucie.
    Suzette, die neben dem Bett über Valeries Schlaf gewacht hatte, beugte sich zu ihr herunter.
    »Mein Schatz«, begann sie mit einer lieblichen Stimme, die Valerie ganz fremd war. Sie hatte einen entrückten Ausdruck in den Augen. Valerie betrachtete die tiefe Wunde, die ihr Gesicht verunstaltete. Ob sie sich entzünden konnte? Sie schaute sich um, und alles erschien ihr eigenartig, nicht so, wie es sein sollte. Gegenstände waren zu groß oder zu klein, wie in einem Traum.
    »Ich habe dir Haferbrei gekocht, dein Lieblingsfrühstück«,
sagte ihre Mutter in demselben süßlichen Tonfall. Valerie sog die Luft ein. Der Geruch nach Sirup war überwältigend. Sie biss sich auf die Lippe. Bin ich wach? Es war schwer zu sagen.
    Suzettes Gesicht verzog sich zu einem unnatürlichen Lächeln. Valerie schlüpfte unter ihrem Arm durch und kletterte barfuß, immer zwei Sprossen auf einmal nehmend, die Leiter hinunter.
    »Valerie?«, rief ihre Mutter und legte den Kopf auf die Seite wie ein kleines Mädchen, das Theater spielte.
    »Ich gehe jetzt«, antwortete Valerie, zog ihre Stiefel an, holte ein Taschentuch und etwas Obst für ihren Korb und legte sich den roten Mantel um die Schultern. Roxanne regte sich im Bett, schlug die Augen auf und putzte sich die Nase.
    »Du gehst?«, fragte
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