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- Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond

- Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond

Titel: - Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond
Autoren: Sarah Blakley-Cartwright , David Leslie Johnson
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hörte.
    »Valerie.«
    Sie drehte sich um und vor ihr stand der Wolf. Seine Augen leuchteten wie Zwillingsmonde. Seine Lefzen glänzten feucht und schwarz.

    Zwei Soldaten lagen tot zu seinen Füßen.
    Der Wolf ragte vor ihr empor wie ein großes Monument. Er regte sich nicht und die Macht seines Schattens hatte fast etwas Tröstliches.
    Solomons Blick flog zu dem Blutmond, der, verblasst und zwischen den Häusern kaum sichtbar, tief über dem Horizont stand.
    Mit einer entschlossenen Bewegung packte er Valerie an den Haaren, riss ihr den Kopf zurück und setzte ihr, sie als menschlichen Schild benutzend, sein Schwert an die Kehle. »Wir werden ihn hinhalten«, flüsterte er dem Hauptmann zu. »Gleich bricht der Tag an.« Und an den Wolf gewandt, rief er:
    »Du willst sie doch lebend, oder?«
    Der Wolf starrte Solomon an, dann blickte er zuckend zum Mond, der am Himmel immer fahler wurde.
    Henry machte einen Schritt auf Valerie zu, doch Solomon drückte ihr das Schwert in die Kehle. Henry wich zurück. Valerie spürte die scharfe Klinge auf ihrer Haut.
    Sie sah, wie Dorfbewohner von drinnen näher an die Tür kamen und gafften, aber tunlichst darauf achteten, dass sie auf heiligem Boden blieben, wie Kinder, die ihre Eltern durchs Treppengeländer beim Streiten beobachten. Sie hatten sich in der Aufregung in die Kirche geflüchtet, und keiner dachte mehr daran, den Wolf zu jagen, den sie wenige Tage zuvor noch unbedingt zur Strecke hatten bringen wollen.
    »Zuerst stirbt er, dann du«, raunte SolomonValerie zu und gab dem maskierten Schützen, der oben auf dem Glockenturm an der Brüstung lehnte und auf Befehle wartete, mit dem Kopf ein Zeichen.

    Der Schütze feuerte, doch der Wolf ahnte die Gefahr, sprang zur Seite und der Bolzen fuhr in die Erde. Als Solomon sah, dass der Schuss fehlging, war seine Geduld erschöpft. Er konnte nicht länger an sich halten, Mordlust überkam ihn. Er stieß Valerie von sich, erhob das Schwert und stürzte sich mit aller Macht auf den Wolf. Die Adern an seinem Hals traten hervor wie die Äste eines Baums, der aus dem Samen seiner Besessenheit in ihm gewachsen war.
    Doch der Wolf war schneller und schlug seinen mächtigen Kiefer in Solomons Handgelenk, durchtrennte die Sehnen, dann den Knochen. Die abgebissene Hand fiel schwer auf den verschneiten Boden und die fürchterlichen Finger mit den Silberspitzen umklammerten noch den Griff des Schwertes.
    Vor Schmerzen stöhnend, taumelte Solomon rückwärts in Richtung Kirche. Der Wolf setzte ihm nach.
    Der maskierte Schütze feuerte einen Pfeilhagel ab. Darauf ergriff der erboste Wolf den Schild eines toten Soldaten und schleuderte ihn in Richtung Glockenturm. Der Schild krachte gegen die Brust des Schützen, spaltete seinen Harnisch und spießte ihn auf. Er stürzte gegen die Glocke und entlockte ihr einen düsteren Ton.
    Henry nutzte die Gelegenheit, packte Valerie und zog sie durch die Tür auf heiligen Boden. Der Wolf sprang vor, doch sie waren bereits drinnen, unerreichbar für ihn.
    Wieder blickte der Wolf zum Blutmond, der bereits unterging. Die begrabene Sonne stieg wieder aus der Erde und am Himmel zeigte sich der erste Dämmerschein des Morgens.
    Die Bestie wusste, dass sie schnell handeln musste. Sie fasste nach Valerie, über die steinerne Türschwelle hinweg,
riss die Pfote aber zurück, als sie Feuer fing. Sie fletschte die Zähne und starrte die Beute aus allen vier Augen an.
    »Du kannst dich nicht davor verstecken.«
    Die Stimme des Wolfs hatte auf Valerie eine seltsam beruhigende Wirkung. Der Wolf würde sich auf eine Weise ihrer annehmen, wie sich noch niemand ihrer angenommen hatte.
    »Tritt durch die Tür, sonst werde ich alle töten. Hast du verstanden?«
    »Ja, ich habe verstanden«, antwortete sie, fast wie in Trance.
    »Seht, wie die Hexe mit dem Wolf spricht!«, schrie Solomon von der Stelle, wo ein Soldat seine Wunde verband. Trotz seiner Verstümmelung suchte er noch nach Rechtfertigung.
    »Triff deine Wahl.«
    Die Stimme des Wolfs hallte wie ein Echo inValeries Kopf. Sie dachte an all die Menschen um sie herum, an Henry. Sie sah sie in ihrer ganzen Menschlichkeit, in ihrer Vollkommenheit und Unvollkommenheit. Sie konnte nicht zulassen, dass sie starben.
    Die Zeit verlangsamte sich für sie. Wie sonderbar das Leben doch war. Es gab zu viel: zu viel Schönheit, zu viel Liebe, zu viel Schmerz und Leid für einen einzigen Besuch auf der Welt. Was sollte man mit alldem anfangen? War es da nicht besser, gar nicht zu
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