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Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Titel: Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
Autoren: Asa Larsson
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hebt sie über die Luke. Ihre Füße heben vom Boden an. Sie sagt kein einziges Wort. Der Schrei ist in ihre Augen geschrieben. Nein! Nein!
    Er wirft sie wie einen Müllsack nach unten. Sie fällt rückwärts zu Boden. Poltern und Krachen, dann ist alles still. Er lässt die Luke wieder zufallen. Dann packt er mit beiden Händen die Kredenz, die an der Wand steht, und zieht sie über die Luke. Sie ist verdammt schwer, aber er hat Kraft genug.
    Sie schlägt die Augen auf. Sie braucht eine Zeitlang, um zu begreifen, dass sie für eine Weile das Bewusstsein verloren hatte. Aber es kann nicht lange gewesen sein. Einige Sekunden. Sie hört, wie Lars-Gunnar etwas Schweres über die Luke zieht.
    Weit offene Augen, aber sie sieht nichts. Kompakte Dunkelheit. Sie hört oben Schritte und schleifende Geräusche. Auf die Knie. Der rechte Arm hängt hilflos nach unten. Instinktiv greift sie sich mit der linken Hand an die Schulter und renkt den Arm ein. Es knackt. Ein Feuerstrahl aus Schmerzen jagt von der Schulter in Arm und Rücken. Alles tut weh. Nur ihr Gesicht nicht. Dort spürt sie gar nichts. Sie versucht, es zu betasten. Es ist wie betäubt. Und etwas hängt locker und feucht nach unten. Kann das ihre Lippe sein? Wenn sie schluckt, schmeckt alles nach Blut.
    Runter auf alle viere. Lehmboden unter ihren Händen. Die Feuchtigkeit dringt durch ihre Jeans. Es stinkt nach Rattenkacke.
    Wenn sie hier stirbt, dann werden die Ratten sie auffressen.
    Sie kriecht los. Tastet mit der Hand nach der Treppe. Überall klebrige Spinnweben, die an der suchenden Hand haften bleiben. In der Ecke raschelt etwas. Die Treppe. Sie kniet auf dem Boden und legt die Hände auf eine Treppenstufe. Wie ein Hund auf den Hinterbeinen. Sie lauscht. Und wartet.
    Lars-Gunnar hat die Kredenz zurückgezogen. Er wischt sich mit dem Handrücken die Stirn.
    Teddys »Was?« ist verstummt. Lars-Gunnar schaut aus dem Fenster. Teddy wandert auf dem Hofplatz im Kreis. Lars-Gunnar kennt diesen Kreisgang. Wenn Teddy Angst hat oder traurig ist, läuft er so herum. Eine halbe Stunde kann ihm dann helfen, zur Ruhe zu kommen. Er scheint dann nichts mehr zu hören. Als er das zum ersten Mal erlebt hat, war Lars-Gunnar so frustriert und hilflos, dass er ihn schließlich geschlagen hat. Dieser Schlag brennt noch heute in ihm. Er weiß noch, dass er seine Hand ansah, die, die geschlagen hatte, und dass er an seinen eigenen Vater denken musste. Und Teddys Zustand wurde davon ja nicht besser. Sondern schlimmer. Jetzt weiß er, dass man Geduld braucht. Und Zeit.
    Wenn er doch nur Zeit hätte!
    Er geht hinaus auf den Hofplatz. Versucht es, obwohl er weiß, dass es nichts hilft.
    »Teddy!«
    Aber Teddy hört nichts. Er läuft und läuft im Kreis.
    Tausendmal hat Lars-Gunnar an diesen Augenblick gedacht. Aber in seiner Vorstellung hat Teddy dann friedlich geschlafen. Lars-Gunnar und er haben einen schönen Tag hinter sich. Waren vielleicht im Wald. Oder mit dem Schneemobil auf dem Fluss unterwegs. Lars-Gunnar hat eine Weile an Teddys Bett gesessen. Teddy ist eingeschlafen und dann…
    Das hier ist zu viel. Schrecklicher könnte es überhaupt nicht sein. Er fährt sich mit der Hand über die Wange. Es fühlt sich an, als ob er weint.
    Und er sieht Mildred vor sich. Seit damals war er auf dem Weg hierher. Das begreift er jetzt. Der erste Schlag. Dabei war er von Zorn auf sie erfüllt. Aber danach. Danach hat er gleichsam sein eigenes Leben in Scherben geschlagen. Hat es aufgehängt, damit alle Welt es sehen konnte.
    Zum Auto. Da liegt der Stutzen. Er ist geladen. Das war er schon den ganzen Sommer. Er entsichert.
    »Teddy«, sagt er mit belegter Stimme.
    Er will doch noch Abschied nehmen. Das möchte er so gern.
    »Teddy«, sagt er zu seinem großen Jungen.
    Jetzt. Ehe er die Waffe nicht mehr halten kann. Er kann nicht hier sitzen, wenn sie kommen. Und zulassen, dass sie Teddy mitnehmen.
    Er hebt die Waffe an seine Schulter. Zielt. Schießt. Die erste Kugel in den Rücken. Teddy kippt vornüber. Den zweiten Schuss richtet er auf den Kopf.
    Dann geht er ins Haus.
    Am liebsten würde er die Luke im Boden öffnen und sie umbringen. Was ist sie? Nichts.
    Aber er bringt es nicht mehr über sich, die Kredenz zu verrücken.
    Er lässt sich schwer auf das Küchensofa fallen.
    Dann steht er auf. Öffnet die Wanduhr und hält mit der Hand das Pendel an.
    Setzt sich wieder.
    Den Lauf in den Mund. Es war eine Qual, so weit er sich zurückerinnern kann. Es wird eine Erleichterung sein. Es wird
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