Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rau ist die See ...

Rau ist die See ...

Titel: Rau ist die See ...
Autoren: S Hogan
Vom Netzwerk:
können. Kopfschüttelnd schob sie die Reisetasche wieder unter die Koje und lehnte sich zurück.
    Sie hatte noch nie auf einem Schiff übernachtet. Obwohl die MS Kyrene momentan noch sicher im Hafen lag, fragte Jade sich, ob sie überhaupt ein Auge zubekommen würde, wenn der Luxusliner erst draußen auf hoher See war.
    Ein Geräusch ließ Jade aufschrecken. Vor ihrer Tür tat sich etwas.
    Jade presste die Lippen aufeinander und lauschte angestrengt. Jemand war auf dem Gang vor ihrer Kabine, daran gab es keinen Zweifel. Drückten sich dort eine oder mehrere Personen herum? Und weshalb gaben sie sich so viel Mühe, leise zu sein?
    Jade fühlte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken rann.
    Plötzlich ertönte ein lautes Kichern, und die Tür der Nachbarkabine wurde zugeschlagen. Ganz kurz hörte Jade eine weibliche und eine männliche Stimme, dann war es wieder still.
    Offenbar hatte ein Liebespaar auf dem Gang geknutscht und war nun zum gemütlichen Teil übergegangen. Jade stieß einen ärgerlichen Laut aus. Deshalb hatte sie sich erschrocken? Das war ja lächerlich. Normalerweise war sie auch kein Angsthase. Als Animateurin musste sie sich ständig neuen und ungewohnten Situationen stellen, und das war das beste Training gegen Verzagtheit, das man sich vorstellen konnte.
    Am besten man packt die Dinge einfach an, dachte Jade und holte entschlossen die Videokamera aus der Tasche. Sie wollte sich jetzt endlich den Film ansehen. Dann wusste sie, was los war, und würde entscheiden, was sie mit der Kamera machte.
    Sie drückte auf die Playtaste und sah gespannt auf das Display.
    Im nächsten Moment sah sie wieder Anns Gesicht. Jade schätzte sie auf etwa zwanzig. Ann sah hübsch aus, war aber keine klassische Schönheit. Ihre Stupsnase ragte frech nach oben, und auf den Wangen hatte sie zahlreiche Sommersprossen. Sie hatte beim Tagebuchführen offenbar auf der Koje gesessen, so wie Jade jetzt. Im Hintergrund war die Kabinenecke mit dem kleinen Buchregal über dem Kopfteil und der Leselampe zu erkennen.
    „Hi. Ich bin Ann Brockwell. Und das hier ist mein Videotagebuch. Ich will hier erzählen, was ich auf meiner ersten Reise als Animateurin auf dem Kreuzfahrtschiff MS Kyrene so alles erlebe. Also, wir liegen momentan auslaufbereit im Hafen von Plymouth. Gleich werden die Leinen losgemacht, und wir nehmen Kurs auf die norwegische Küste. Ich bin mächtig aufgeregt. Okay, meine lieben Eltern haben mich ja oft genug auf ihrer Privatyacht quer durch die Karibik mitgenommen. Aber das hier ist etwas ganz anderes. Zum ersten Mal in meinem Leben arbeite ich für mein Geld. Aber darüber will ich nicht meckern, denn das war ja mein eigener Wunsch.“
    Es stimmte also – Ann Brockwell war das Kind reicher Eltern. Aber dafür konnte sie ja nichts. Im Gegensatz zu anderen Jet-Set-Sprösslingen, die Jade kennengelernt hatte, wirkte Ann überhaupt nicht eingebildet. Außerdem sprach es in Jades Augen für sie, dass sie sich einen Job gesucht hatte. Es wäre sicher bequemer gewesen, vom Geld der Eltern zu leben. Das Brot einer Animateurin war jedenfalls hart verdient, das wusste Jade selbst am besten.
    Sie lehnte sich zurück. Die ersten Minuten des Videotagebuchs waren nicht gerade spannend. Ann berichtete von kleinen Ereignissen an Bord, von einem Maskenball und einem Karaoke-Wettbewerb, die sie organisiert hatte. Jade war schon leicht enttäuscht von Anns Geplapper. Etwas wirklich Dramatisches schien ihre Vorgängerin nicht erlebt zu haben. War sie wirklich nur im Osloer Nachtleben abgetaucht und hatte dort den Mann ihres Lebens getroffen?
    Jade glaubte bereits fast daran, als sie auf eine Aufnahme stieß, die sich deutlich von den vorherigen unterschied.
    „Ich glaube, irgendetwas stimmt hier an Bord nicht. Heute war ich auf dem Achterdeck, um die Bademodenschau für morgen vorzubereiten. Plötzlich habe ich eine vermummte Gestalt gesehen. Dieser Kerl fummelte an einem Lüfterkopf herum, stocherte mit einem Draht ins Innere. Ich meine, was soll das denn? Diese Metallröhren gehören zum Ventilationssystem des Schiffs. Was hat er daran herumzupfuschen? Ich habe ihn angesprochen, da drehte er sich zu mir um. Er sagte keinen Ton. Aber dafür zog er den Zeigefinger seiner behandschuhten Rechten vor seiner Kehle von links nach rechts. Eine Geste, die man nicht missverstehen kann, oder? Mir war jedenfalls sofort ganz anders. Ich hätte schreien sollen, aber ich war ganz allein mit dem Unheimlichen auf dem Achterdeck. Es war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher