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Rasputins Erbe

Rasputins Erbe

Titel: Rasputins Erbe
Autoren: Norah Wilde
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lief ihr in den Mund.
    „WAGE ES NICHT. Ich weiß, was Alexej für mich empfindet. Du kannst dir deine Lügen sparen“, rief Annabelle und lief ziellos wie ein in die Enge getriebenes Tier im Raum umher. Sie fasste sich immer wieder an den Kopf, so als ob sie sich den nächsten Schritt überlegte.
    Julia hatte den Eindruck, dass Annabelle nicht nach einem strikten Plan handelte, sondern sich eher treiben ließ. Julia wusste nicht, was gefährlicher war. Eine perfektionistische Annabelle, die bereits auf alles eine passende Antwort hatte oder eine spontane, unberechenbare Annabelle, die nach Lust und Laune handelte.
    „Du bist nicht die erste Schlampe, die Alexej gevögelt hat, seit er mit mir zusammen ist. Meinst du etwa, du bedeutest ihm etwas? Für ihn bist du ein Spielzeug, mehr nicht. Eigentlich müsstest du mir leid tun. Du bist so unglaublich naiv“, wetterte Annabelle weiter und bewegte sich immer noch unruhig im Raum umher.
    Julia traute sich nicht, noch etwas zu sagen und hoffte inständig, dass Annabelle sich wieder beruhigen würde, wenn sie sie nur ausreden und ihren Frust ablassen ließe.
    „Ich hasse dich nicht, falls du das geglaubt hast. Es ist nur so, dass ich nicht zulassen kann, dass du unsere Beziehung zerstörst“, fügte Annabelle hinzu und blieb endlich stehen, um Julia mit einem unschuldigen Blick zu fixieren.
    „Welche Beziehung?“, rutschte es Julia raus und sie bereute es sofort, dass sie nicht die Klappe gehalten hatte.
    „Was hast du gesagt?“, zischte Annabelle und ihr Blick wurde wieder wild. Sie eilte aus dem Raum und kam wenige Augenblicke wieder. Julia blieb fast das Herz stehen. Sie schaute geradewegs in die Mündung einer schwarz glänzenden Pistole, die Annabelle mit zitternder Hand auf Julias Gesicht richtete.
    Annabelle war außer sich vor Wut. Sie rief: „Ich sollte dich einfach abknallen, meinst du nicht? Was würdest du tun? Du lässt mir ja keine Wahl, nicht wahr?“
    Julia spürte, wie unsicher Annabelle eigentlich war und sie realisierte, dass diese planlose, spontan handelnde um einiges gefährlicher war als die gezielt verletzende Version von damals, die ihr mit kalter Präzision ein Brandmal verpasst hatte. Diese Annabelle war gestresst. Sie stand unter Strom. Sie wusste offenbar selbst, dass sie eine Grenze überschritten hatte. Julia verstand, Annabelle hatte nun fast nichts mehr zu verlieren.
    Sie wählte daher ihre Worte sorgfältig, denn sie wollte Annabelle nicht noch weiter provozieren: „Woher wusstest du eigentlich, wann ich nach Hause komme?“
    Julia war nämlich eingefallen, dass Alexejs Brief mit der Maschine geschrieben worden war und dass nicht Alexej selbst, sondern Annabelle dafür verantwortlich gewesen sein musste.
    Eine simple Unterschrift kann man fälschen, dachte sie.
    „Ach, das war einfach“, rühmte sich Annabelle und grinste plötzlich wieder. Es war genau dieser maskenhafte Gesichtsausdruck, diese Leere in ihrem kalten Blick, die Julia am meisten an ihrem Gegenüber fürchtete.
    Annabelle fuhrt fort: „Ich habe ein bisschen herumtelefoniert und hatte am Ende Frau Steinkamp senior in der Leitung, die mir nur zu gern verraten wollte, wann du zurückkommst. Warum? Weil ich ihr vorgegaukelt habe, dass ich eine Arbeitskollegin bin und mit anderen Kollegen und Kolleginnen eine Überraschung für dich vorbereiten würde. Sie hat mir aus der Hand gefressen. Deine Mama scheint mächtig stolz auf dich zu sein.“
    Julia wäre ihr gern an die Gurgel gegangen, aber sie war zu sehr damit beschäftigt, die Pistolenmündung zu beobachten, die immer noch bedrohlich vor ihrer Nase schwebte. Glücklicherweise war die Waffe für die untrainierte Annabelle zu schwer, also senkte sie sie wenige Augenblicke später und begann erneut, unruhig im Raum herumzugehen.
    Nach diesem plötzlichen Stimmungswechsel kapierte Julia, dass sie Annabelle bei Laune halten konnte, indem sie ihr Raum zum Erzählen gewährte. Sie schmeckte das Blut, das aus ihrer aufgeplatzten Lippe getropft war und hoffte, dass es an diesem Abend bei dieser Verletzung bleiben würde.
    „Meinst du, ich bin blöd genug, um mich auf dein Gesülze einzulassen?“, fragte Annabelle. „Ich weiß, was du vorhast, aber es wird dir nicht gelingen“, fügte sie hinzu.
    Julia schluckte und ging im Kopf ihre Optionen durch. Viele hatte sie nicht. Eigentlich gar keine.
    Sie war Annabelles Launen ausgeliefert und obwohl ihrer letztes Abenteuer in Alexejs Keller für sie sehr schmerzhaft gewesen
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