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Rasputins Erbe

Rasputins Erbe

Titel: Rasputins Erbe
Autoren: Norah Wilde
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sich einfach nackt die Zähne.
    Während sie gurgelte, dachte sie an ihre letzte Beziehung. Thomas hatte sie zwar gern gehabt, aber irgendwie passte es damals nicht. Sie erinnerte sich an den letzten gemeinsamen Abend, den sie zusammen verbracht hatten, denn auch an jenem Tag stand sie nackt im Bad und putzte sich die Zähne.
    Sie war das zweite Mal unter der Dusche gewesen. Sie hatten sich laut gestritten und sie wusste, während sie an dem besagten Tag in den Spiegel schaute, dass die Beziehung keinen Sinn mehr machte.
    Jetzt, da sie wieder einmal nackt ihre Zähne putzte, fand sie das alles plötzlich sehr witzig. Sie grinste und dachte: „Zum Glück ist das vorbei.“ In dem Moment ging die Welt unter, denn der Wecker ließ sein ohrenbetäubendes Klingeln im Schlafzimmer hören.
    Sie spurtete nackt zurück und stieß sich dabei den rechten, kleinen Zeh am Bett, als sie nach dem schrillenden Wecker griff. Der Schmerz durchzuckte sie so heftig, dass sie sich setzen musste.
    Da saß sie nun, mit einigen Dutzend Haaren weniger, einem mit Zahnpasta verschmierten Mund, nackt und mit pochendem Zeh.
    Wenigstes war jetzt wieder Stille. Halb sechs. In einer Stunde würde sie im Büro sitzen und sich langweilen. Seit dem abrupten Ende ihrer letzten Beziehung langweilte sie fast alles, was sie tat. Auch die Stadt ödete sie eigentlich an, aber andererseits war alles so vertraut.
    Sie nahm die mit Bissspuren übersäte Zahnbürste aus dem Mund und ging leicht humpelnd zurück ins Bad, um das mittlerweile unangenehm-pfefferminzige Zeug auszuspülen.
    Nicht nur hatte sie zu wenig geschlafen, nein, sie hatte einen ziemlich intensiven Traum gehabt, der sie noch etwas länger beschäftigen würde – hinzu kam, dass sie mit dem angeschwollenen Zeh wohl kaum ihre Lieblingsschuhe anziehen konnte.
    Obwohl es noch so früh war, schien sich ein Tag der Kategorie „Wäre-ich-lieber-im-Bett-geblieben“ anzubahnen.
    Sie trat erfrischt aus dem Bad und ging – immer noch unbekleidet – in ihrer Wohnung umher.
    „Wo sind die Dinger denn?“, sagte sie halblaut, während sie die Kissen auf dem Sofa umdrehte. Auch unter der Couch hatte sie keinen Erfolg, aber beim Weg ins Schlafzimmer fiel ihr ein, dass die kuscheligen Hausschuhe in der Küche waren.
    Auch dort erwartete sie wieder ein recht unangenehmes Licht, was sie nun einfach hinnahm. Sie würde dem Handwerker wohl diese Woche nochmals klarmachen müssen, dass sie dringend neue Lampen installiert haben wollte.
    Die Kaffeemaschine ratterte schon in den letzten Zügen vor sich hin, als sie – endlich in ihrer Bürokleidung – in die Küche zurückkehrte. Der kleine Zeh tat nun schon weniger weh, als sie erwartet hatte. „Ich probiere die Pumps trotzdem aus“, dachte sie grimmig.
    Immerhin hatte sie sich die Schuhe erst vor einer Woche gegönnt, als sie in der Mittagspause in einem sehr exklusiven Laden nach Ablenkung suchte. Früher hätte sie sich so etwas nie gekauft, grübelte sie. Allgemein war sie viel vernünftiger gewesen, als sie noch mit Thomas zusammen war. Aber das hat ja jetzt ein Ende, fügte sie in Gedanken hinzu. Glücklicherweise hatte sie mit ihm nicht allzu viel Zeit verschwendet und frühzeitig erkannt, dass er nicht der Richtige war.
    Während sie ihren Kaffee schlürfte, versuchte sie sich an ihren Traum zu erinnern. Es war so intensiv gewesen, das Gefühl, dass sie noch einige Minuten nach dem Aufstehen erlebt hatte, war ihr völlig fremd. Und vor allem ging ihr der Mann nicht aus dem Kopf. Es war schwül und düster gewesen – ein tropisches Land könne es wohl doch nicht gewesen sein. Das Gesicht des Mannes konnte sie leider nicht mehr rekonstruieren, wohl aber seine Augen. Solche Augen hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie hatten sie starr fixiert. Solange sie in diese Augen blickte, stand die Zeit still.
    Sie schüttelte den Kopf und erinnerte sich daran, dass der heutige Tag im Büro vermutlich doch nicht allzu langweilig werden würde. Heute war ein Treffen mit den Vertretern des Gromow-Imperiums angesetzt. So nannte Peer, ihr Vorgesetzter und Mentor, den russischen Millionärsklan, der sich vor ein oder zwei Generationen in Deutschland niedergelassen hatte.
    Sie würde das Kind schon schaukeln, dachte sie. Mit reichen Kunden konnte sie ganz gut umgehen.
    Sie seufzte leicht, als sie den letzten Tropfen aus ihrer Kaffeetasse auf ihrer Zunge spürte. Am liebsten würde sie noch einen trinken, aber dafür hatte sie nun schon zu lange herumgetrödelt. Sie
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