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Rasputins Erbe

Rasputins Erbe

Titel: Rasputins Erbe
Autoren: Norah Wilde
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zögerlich den Kopf hob, sah sie, dass Peer sie fixierte und mit seinem Blick bedeutete, die Führung zu übernehmen. Sie sah außerdem den Gesichtsausdruck des schmollenden Schulmädchens, das sie ebenfalls anschaute und offenbar mit ihrem Blick allein – aus welchem Grund auch immer – am liebsten umbringen wollte. Julia war verunsichert, konzentrierte sich dann jedoch endlich auf eine ihrer größten Stärken: die Analyse von Werbeplakaten.
    Julia schaute kurz aus dem Fenster und sah erleichtert, dass es endlich hell wurde. Das grelle Halogenlicht im Konferenzraum hasste sie fast so sehr wie ihre Leuchten im Bad und in der Küche ihrer eigenen Wohnung. Fast wäre sie wieder in ihre Traumwelt abgedriftet, als ein rhythmisches Klackern sie zurück in den Konferenzraum beförderte. Sie schaute umher, um die Quelle des Geräuschs zu orten und sah, dass Alexej Gromow offenbar gelangweilt mit einem seiner protzigen Ringe auf den Tisch klopfte. Wir sind wohl ungeduldig, werter Schnösel, dachte Julia. Endlich machte sie den Mund auf, um dem Wahnsinn um sie herum ein Ende zu machen. Sie musste die Kontrolle zurückgewinnen.
    „Wir sehen hier ein ziemlich amateurhaftes Plakat, das der Softlift Unterwäsche GmbH nicht gerade schmeichelt. Sicher, der Firmenname deutet an, dass Push-Ups verkauft werden sollen, aber die Marke und vor allem die Markenbotschaft kommt hierin leider überhaupt nicht zur Geltung. Das hier ist viel zu plump, zu altbacken...“
    Julia analysierte, erörterte und erzählte. Katarina Gromow war sichtlich beeindruckt, ihre Sekretärin war vermutlich durch nichts zu begeistern und Alexej Gromow nickte ab und an. Ob er verstand, was Julia erklärte, wusste sie nicht. Sie hoffte es jedenfalls. Ihr fiel es schwer, Augenkontakt mit den Gästen herzustellen, denn Annabelle Desens verschoss lediglich tödliche Blitze und Alexej starrte sie mit seinen Eissplittern so unerbittlich an wie der Typ aus ihrem Traum, der sie in die höchsten Sphären der Lust befördert hatte. Sie hatte sich zwar ein wenig beruhigt, aber das Denken fiel ihr in Gegenwart des mysteriösen Unternehmers durchaus nicht leicht.
    Im Verlauf ihres kleinen Vortrags meldete sich auch Deniz, der etwas zu kurz geratene, türkisch-stämmige Grafikdesigner, zum ersten Mal zu Wort, als er erklärte, wie man die grafische Gestaltung der Plakte verbessern könne. Er sprach leise, aber bestimmt. Von Grafikdesign verstand er etwas.
    Er gab nie damit an, aber Julia wusste, dass im Umkreis von 100km um Köln herum so ziemlich jede Litfasssäule, jeder Banner Werbeplakate zeigte, die Deniz entworfen hatte. Das galt zumindest für die Werbung, die explizit an die Damenwelt gerichtet war. Julia war froh, dass Deniz und Peer einen kühlen Kopf bewahrten. Ihr war nicht bewusst, dass die vermeintlich magische Wirkung, die Alexej Gromow auf Julia hatte, die restlichen Anwesenden völlig kalt ließ oder zumindest nicht so sehr aus der Fassung brachte wie sie selbst.
    Zusammen mit Deniz und garniert mit Peers gelegentlichen Einwürfen konnte Julia das Meeting trotz aller schlechter Omen zu einem guten Abschluss bringen. So gut, dass man sich sogar zu einem gemeinsamen Abendessen verabredete, um sich besser kennenzulernen und das Geschäftliche bei einem guten Wein und exquisiter Küche näher zu erörtern. Julia wusste, dass sie gute Arbeit geleistet hatte, denn diese Geschichte hätte durchaus auch in einem Fiasko enden können.
    Als die Gäste nach einer Runde Händeschütteln den Konferenzraum wieder verlassen hatten, blieben ein erleichterter Peer, ein gelangweilter Deniz und eine ausgepowerte und ziemlich verwirrte Julia zurück.
    Sobald Peer die Stimme erhob, wusste Deniz, dass es Zeit war, das Weite zu suchen. Er klaubte seinen Kram zusammen, knallte seinen Laptop zu und verdrückte sich. Das hier war nicht sein Krieg, sondern der zwischen Julia und Peer.
    „Du hast es wieder einmal geschafft, Julia. Du hast die Kurve gekriegt. Diesmal dachte ich, dass du dich endgültig verzettelt hast, aber ich muss zugeben, dass ich ziemlich beeindruckt bin. Allerdings sage ich dir als dein Chef und auch als dein Freund, dass du dich dringend zusammenreißen musst, wenn du in dieser Branche noch weiter nach oben willst.“ Julia öffnete den Mund, um sich zu verteidigen, aber Peer winkte lächelnd ab.
    „Wenn du das hier nicht so souverän herumgerissen hättest, wärst du deinen Job vermutlich los gewesen. Ich sage dir das, damit du hoffentlich aufwachst und das
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